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Zuckerguss und Liebeslieder Roman

Zuckerguss und Liebeslieder Roman

Titel: Zuckerguss und Liebeslieder Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosie Wilde
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feindlichem Territorium. Alle meine Sinne sind geradezu übernatürlich geschärft. Auf der Stelle identifiziere ich die Duftnote des hier verwendeten Raumsprays: »Clean Linen«. Die abgebeizten Bodendielen sind ebenso blitzsauber wie der Flurspiegel mit dem vergoldeten Rahmen und die Messingleuchten.
    »Gehen wir in die Küche«, sagt sie frostig. »Nein, wenn ich’s mir recht überlege, gehen wir ins Wohnzimmer.« Sie wendet sich nach links. »Hier«, sagt sie und deutet auf einen hölzernen Schaukelstuhl. »Nehmen Sie Platz.«
    Mir bleibt nicht viel anderes übrig, als zu tun, was man mir sagt, obwohl ich nicht verstehe, warum ich da sitzen soll und nicht auf dem bequemen cremefarbenen Zweisitzersofa oder auf dem dazu passenden Sessel in der Ecke.
    »Ich mache Kaffee«, sagt sie und verschwindet.
    Ich lehne mich zurück und versuche mich zu entspannen, aber die Holzstreben des Schaukelstuhls bohren sich in meinen Rücken. Also rutsche ich vor und erkunde weiteres unbekanntes Gelände. Ich muss zugeben, der Wohnraum ist eigentlich ganz hübsch. Links und rechts vom Sofa stehen auf quadratischen Kirschholztischen Messingleuchten mit cremefarbenen, gefältelten Lampenschirmen. Auf den Tischen und dem Kaminsims sind kleine Ziergegenstände platziert, wie man sie in Museumsshops erstehen kann - eine Balletttänzerin aus Messing, eine abstrakte Skulptur aus ineinander verschlungenen Kreisen und ein geschnitztes Kästchen aus Olivenholz.

    »Bin sofort wieder da«, ruft Heidi aus der Küche. »Ich mahle nur schnell die Bohnen.«
    Ein Surren ist zu hören. Über dem Sofa hängt ein Aquarell, das Rennpferde im gestreckten Galopp vor der Ziellinie zeigt, und an der gegenüberliegenden Wand entdecke ich eine Reihe gerahmter Luftaufnahmen: eine Wettfahrt von Heißluftballons, eine tropische Insel und Paris. Der Raum ist perfekt durchkomponiert.
    »Ich würde Ihnen ja gern ein paar frisch gebackene Muffins mit Zitrone und Mohn anbieten«, sagt sie und steckt den Kopf zur Tür herein, »aber das würde Wyatt mir nie verzeihen. Die liebt er über alles.« Dann verschwindet sie erneut.
    Der Teppich ist ebenfalls cremefarben und makellos sauber. Sosehr ich mich auch anstrenge, ich kann nirgendwo auch nur ein einziges Staubkörnchen oder die Spur von einem Spinnennetz entdecken. Das Herz wird mir schwer, als ich mich an Dolores’ Worte erinnere - sie ist die Richtige für ihn. Sie wäre eine wunderbare Frau und Mutter.
    Heidi bringt auf einem Tablett mit einem gestärkten weißen Leinentuch als Unterlage zwei Porzellantassen, eine Cafetière, Milchkännchen und Zuckerdose sowie ein paar Kekse mit Schokoladenstückchen. Dann reicht sie mir eine zu einem perfekten Rechteck gebügelte Serviette mit Spitzensaum. Zu schade, dass sie und ich nicht lesbisch sind - wir wären das ideale Paar.
    »Einen Keks«, sagt sie. »Selbstgebacken natürlich.«
    »Nein danke.«
    »Wirklich nicht? Ich hatte den Eindruck, dass Sie Kuchen, Kekse und Nachspeisen zu schätzen wissen.«
    Darauf werde ich nicht weiter eingehen. »Ich wollte Sie
fragen, ob Sie bei einem Benefizkonzert, mit dessen Erlös Mary Lous Tierarztrechnungen bezahlt werden sollen, die Tombola organisieren würden«, zwinge ich mich zu sagen.
    Sie hört gar nicht hin. »Alice, kommen Sie und schauen Sie sich die Fotos hier an.«
    Was für Fotos? Sie deutet auf etwas hinter mir. Ich drehe mich um und entdecke erst jetzt eine Anrichte aus glänzendem Mahagoni, auf der unzählige Fotos in Silberrahmen stehen.
    »Kommen Sie schon«, sagt sie scharf.
    Ich erhebe mich.
    »Das bin ich beim Cheerleading«, sie zeigt darauf. »Das bin ich beim Skifahren in Michigan. Das ist mein erstes Pferd. Das hier ist meine Familie bei meiner Schulabschlussfeier.«
    Ich schaue mir keins davon an, weil mein Blick schon auf das größte von allen gefallen ist, das genau in der Mitte steht und nach dem Heidi soeben greift.
    »Und das bin ich mit Wyatt.« Sie hält es mir hin. »Da, Sie wollen es sich doch sicher genauer ansehen.«
    Wider besseres Wissen nehme ich es zur Hand.
    »Das haben wir machen lassen, als Wyatt eingezogen ist. Wir stehen da vor seiner Haustür.«
    Das sehe ich. Wyatt hat den Arm um Heidi geschlungen und lächelt in die Kamera. Sie trägt ein kurzes gelbes Sommerkleid, hat die Hand auf seine Brust gelegt und blickt anbetend zu ihm auf. Mir dreht sich der Magen um.
    »Ich habe den ganzen Umzug für ihn organisiert«, sagt Heidi, »und dann die Hauseinweihung mit ihm gefeiert.«
    Mir

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