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Zuckerleben: Roman (German Edition)

Zuckerleben: Roman (German Edition)

Titel: Zuckerleben: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pyotr Magnus Nedov
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der Unteroffizier ihm gerade einen unanständigen Witz erzählen und der Generalmajor voller Vorfreude auf die Pointe warten. Im Hintergrund sind ein IL -76-Transportflugzeug und ein Mi-8 MT -Kampfhubschrauber erkennbar, der wie eine erstarrte, riesige Libelle auf dem Boden haften geblieben ist. Rechts darüber im Bild ein Mi-24, der mit geneigtem Rumpf bereits zum Landeanflug angesetzt hat. Einige Bildunterschriften sind auf dem Foto zu sehen, darunter das Kürzel DRA , Provinz Nangarhār, Sommer 1987.
    Tutunaru lenkt seinen Blick nun von der Wand weg, auf den Boden, und zieht die Augenbrauen überrascht zusammen.
    »Na servus! Was ist denn mit dem Bügelbrett passiert?«
    »Ach, nichts.«
    »Wie, nichts? Und mit dem Fernseher?«
    »Reine Zeitverschwendung! Unnötig, die Kiste. Mit diesem Putsch läuft da seit Tagen eh nur der Schwanensee … Schon traurig, wenn da die hübschen Ballerinas vom Bolschoi in ihren hauchdünnen weißen Tutus immer nur dann im Fernsehen gezeigt werden, wenn’s im Land einen Umsturzversuch gibt. Ballett in der Krise! Ha. Und dieser Plastikschädel von Gorbatschow macht währenddessen Erholungsurlaub auf der Krim, am Schwarzen Meer. Wie in dem Sprichwort: ›Das Haus brennt, und die Babuschka bürstet sich die Haare!‹ Nur dass der keine Haare zum Bürsten hat und deswegen Ferien auf der Krim macht, unser Gensek Gorbi. Und da verzapft er aber auch so einen Stuss von wegen, dass er in seiner Villa in Foros gefangen gehalten wird und nicht wegkommt. Die Regierungsleitung gekappt! Die Telefonverbindungen gekappt! Seeblockade! Landblockade! Luftblockade! Die Grenztruppen vor dem Haus! Spezialeinheiten umschwirren das Gelände. Und der Gorbatschow alleine gegen alle – das ist wie in so einem Actionthriller mit Arnold Schwarzenegger, den sie im Diesel nach Ocnița zeigen, im Video-Waggon. Nur dass der Schwarzenegger am Ende seine Mission erfüllt, und der Gorbatschow am Ende alles verscheißt. Afghanistan? Verschissen! Die DDR ? Verschenkt! Polen? Verschissen! Die Tschechoslowakei? Verschissen! Rumänien? Verschissen! Den ganzen Ostblock und den Warschauer Pakt obendrauf hat er verschissen; das Baltikum auch. Was noch? Die Wirtschaft hat er verschissen; ein Alkoholverbot hat er noch eingeführt, das hat er aber auch verschissen, weil’s mit der Prohibition nicht geklappt hat und die Reform zurückgenommen werden musste. Es gibt nichts zu essen, die Preise explodieren, die Löhne werden, wenn überhaupt, mit monatelanger Verspätung ausbezahlt, wie meine Afghanistan-Kriegsinvalidenrente, die ich seit Monaten nicht mehr zu Gesicht bekommen hab, Inflation, Schließung ganzer Industriezweige, Zigtausende streiken überall im Land, für ein Stück Brot musst du dich schon stundenlang anstellen vor dem UNIVERSAM und dein Lebensmittelkärtchen vorweisen, wie im Krieg. Und Gorbatschow kommt gut gelaunt aus dem Ausland, wo ihm die Amerikaner wieder mal über den Kopf gestreichelt und einen kleinen, netten Scheck zugesteckt haben, dem Idioten, der ständig Eigentore schießt und sich noch debil darüber freut, wenn die gegnerische Mannschaft applaudiert. Und am Ende lachen sich die Amis ins Fäustchen, weil sie das Spiel gewinnen, und Gorbatschow erklärt dir weiterhin zuckersüß, dass wir auf dem guten und auf dem einzig richtigen Weg sind. Und sieht dir dabei noch beinhart ins Gesicht, der falsche Kulake. Dass der Weg schnurstracks in die Selbstzerstörung des Landes führt, das sagt er nicht. Freilich. Der ist doch nicht deppert! Er lügt dir lieber was vor. Der ist nämlich schon so geübt im Lügenverzapfen, dass er dabei nicht mal mehr rot wird im Gesicht. Davon bekommt er höchstens Stirnflecken … Und träumt gleichzeitig von seiner nächsten Auslandsreise, wo sie ihn lieben und mögen und gut füttern und zum Ehrenbürger ernennen, den Gorbi. Ihren kuscheligen Feind zum Anfassen. Gorbi. Wundern tut er sich aber schon noch, warum ihm die eigene Mannschaft nicht zu den vielen Eigentoren gratuliert. Und jetzt wird er gefangen gehalten, der Arme. Komischerweise wird der Beitrag aus seiner angeblich mit einer Totalblockade verhängten Residenz im Staatsfernsehen trotzdem pünktlich gezeigt … Wahrscheinlich hat er da der letzten noch loyalen ukrainischen Möwe das heimlich aufgenommene Kassettenband mit seiner Geheimrede über die Lage der Nation um die Füße gebunden, ihr erklärt, wie sie die Grenztruppen, die See-, Land- und Luftblockade umgehen kann und wie sie zum

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