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Zuckerleben: Roman (German Edition)

Zuckerleben: Roman (German Edition)

Titel: Zuckerleben: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pyotr Magnus Nedov
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anarchistischen Ziegen hütet oder, treffender formuliert, ihnen Gesellschaft leistet.
    Zapatas Ziegen nehmen mit viel Selbstverständlichkeit die Fahrbahn für sich ein, als wären sie einzig und allein dort, um Mihailytsch die Laune zu verderben.
    Mihailytsch muss wieder bremsen, umfährt Zapatas Ziegen und wirft einen skeptischen Blick auf das Trio fröhlicher Otacier Manele-Mariachis im »Monte Carlo«, mit Sonnenbrillen und weit aufgeknöpften Hemden, gegelten Haaren, fleischigen Lippen und jeweils einem Mikro in der Hand. Die Roma-Mariachis schlendern zwischen den Grillbudenbesuchern aus bildungsfernen Schichten umher, blicken ihnen herzzerreißend in die Pupillen, begutachten ihre mit Grillgut beladenen Teller und besingen mit ihrer ornamentierten und vibratoreich intonierten Stimmfarbe im Bum-Tschak-Bum-Tschak-Bum-Rhythmus die außerirdische Schönheit einer gewissen Fünfzehnjährigen namens Snejana, der jeden Tag haufenweise Männerherzen zum Opfer fallen, von Otaci bis jenseits von Bukarest und vom Schwarzen Meer bis tief in die transsilvanischen Karpaten.
    Mihailytsch rollt seinen Lada-Niva-Geländewagen am Monte Carlo mit den Roma-Mariachis und Ziegen-Zapata vorbei und parkt hinter einem weißen Wolga-Taxi, unter dem wachsamen Blick vom Otacier Doppelgänger des dahingeschiedenen Vaters der mexikanischen Revolution.
    Letzterer nickt Mihailytsch vielbedeutend zu, fährt sich mit dem kleinen Finger und dem Daumen an die schwarzen Augen und dann Richtung Mihailytschs Lada-Niva, als Zeichen dafür, dass er seinen Wagen bewachen werde; Mihailytsch entnimmt seinem Auto die Kühlbox mit dem Jutesackerl plus Zhurkows Karpfen darin und streckt Zapata zum Zeichen des Einverständnisses den rechten Daumen entgegen. Zapata nickt und ruft seinen Ziegen etwas auf Romanes zu, während Mihailysch seinen Wagen abschließt und sich hurtig zu Bulibascha auf den Weg macht.
    Mihailytsch hatte es sich gut überlegt: Er hatte seinen Wagen außerhalb von Bulibaschas Behausung geparkt, um das Gelände seines Chefs schneller verlassen zu können und um so wenig Zeit wie möglich bei ihm verbringen zu müssen.
    Rein, den Fisch abgeben und wieder raus. Kurz und schmerzlos.
    Links hört Mihailytsch einen Roma seinen Namen rufen – es ist ein Mann in Borsalino und weißen italienischen Lackschuhen, deren Spitzen leicht nach oben gebogen sind. Der Mann lehnt an einem schwarzen 1970er-Ford-Mustang mit weißen Sportstreifen und unterhält sich in Romanes mit einem älteren Herrn, ebenfalls einem Borsalino-Träger, der auf seiner Terrasse aus schimmerndem indischen Marmor genüsslich eine Mentholzigarette der Marke Moor emotions raucht. Unter der Terrasse sind in der offenen Garage des Mannes mit der Menthol-Moor ein Mercedes Benz 500 SEL und ein Maserati Quattroporte III geparkt. Als der Sowjetbürger mit der Mentholzigarette Mihailytsch bemerkt, grüßt auch er den Major und macht mit einer Handbewegung ein Zeichen, er möge doch zu ihnen kommen:
    »Mihailytsch, bald fängt Kaspirwoskijs Séance im Fernsehen an. Komm hoch, sonst verpasst du sie!«
    Mihailytsch winkt ab, zeigt auf seine Wostok-Kommandantenuhr und deutet mit seiner Kühlbox Richtung Bulibaschas Domizil, von wo aus zwei schwarze 320er- BMW s mit getönten Scheiben und Blaulicht auf Mihailytsch zurollen und hupen.
    Tuborg und Gavril
    Mihailytsch blickt dem Roma mit dem Dreitagebart, dem Hut und dem weit aufgeknöpften Hemd, das den Blick auf eine haarige Brust und ein silbernes Kettchen mit orthodoxem Kruzifix eröffnet, dankbar entgegen und übergibt ihm mit großer Vorsicht die Kühlbox mit dem Jutesackerl und Zhurkows Karpfen.
    »Am besten ins Kühlfach damit, Gawril! Und wenn der Bulibascha mal ein wenig Zeit hat, kannst du ihn darauf ansprechen, ja?«
    Mihailytsch macht einen Schritt zurück, innerlich sehr froh darüber, sich so schnell aus der Affäre mit der Fischübergabe gezogen zu haben. Gawril nimmt indes die Box in seine fleischigen Hände und schnuppert daran.
    »Riecht nach Fisch.«
    Mihailytsch lächelt.
    »Ja. Ein bisschen.«
    »Nicht nur ein bisschen. Es riecht ganz deutlich nach Fisch. Ist da ein Fisch drinnen?«
    »Да! Ich meine, ja!«
    »Was für ein Fisch genau? Kann ich die Box aufmachen?«
    »Nein! Gawril, die lässt du bitte zu.«
    »Wieso denn?«
    »Gawril, das soll der Bulibascha selbst herausfinden. Soll eine Überraschung sein, verstanden?«
    Gawrils buschige Augenbrauen ziehen sich zusammen; eine kleine Lücke zwischen den Schneidezähnen

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