Zuckermacher 01 - Die Schwester der Zuckermacherin
Person«, sagte Sarah, »obwohl man erkennen kann, dass, wer auch immer es geschrieben hat...«
»Es war Abbys Herrin, Mrs. Beauchurch.«
»Ihre Hände haben gezittert, und sie war in großer Not, als sie das geschrieben hat«, sagte Sarah und las dann den Brief vor, der an mich gerichtet war.
Liebe Hannah!
Im Namen des Allmächtigen bitte ich Euch und flehe Euch an, nach Erhalt dieses Briefes mein Kind Grace zu Euch zu nehmen und sie schnellstmöglich zu meiner Schwester, Lady Jane, im Highclear House, Dorchester, zu bringen. Noch ist mein Kind gesund und munter, aber es wird ganz gewiss umkommen, wenn es in diesem todgeweihten Haus bleibt. Es sind Gesundheitsbescheinigungenfür Euch und Eure Schwester da, allerdings müsst Ihr unter meinem Namen und dem von Abigail reisen. Es ist ebenfalls für eine Kutsche gesorgt worden, die jeden Tag beim Adler und Kind in der Gracechurch Street auf Euch warten wird. Der Kutscher ist einer der Bediensteten meiner Schwester, er hat eine Reiseerlaubnis.
Wenn Ihr nach Dorchester kommt, wird meine Schwester Jane sicherstellen, dass gut für Euch gesorgt ist. Ihr dürft dort bleiben, bis die Heimsuchung London wieder verlassen hat, und bekommt dann sicheres Geleit zurück.
Mögen die Bitten einer Mutter Euer Herz erweichen und Ihr es über Euch bringen, den Wunsch einer Sterbenden zu erfüllen und mein Kind zu retten.
Von meiner Hand am 30. Tag des Monats August 1665.
Maria Beauchurch
»Abby war so furchtbar krank und so seltsam, dass ich kaum glauben konnte, dass sie es war«, sagte ich zu Sarah. Ich nahm einen Zipfel meines Kleides und wischte mir damit über die Augen. »Was sollen wir tun?«
Sie legte den Brief zur Seite und sah mich vollkommen ruhig an. »Natürlich werden wir gehen«, sagte sie, »zu unserem eigenen Besten und zu dem des Babys. Dies ist nämlich bestimmt unsere letzte Chance, London zu verlassen, und es wird von Minute zu Minute gefährlicher, hier zu bleiben.«
Ich zitterte vom Schreck, den ich bei Abbys Anblick bekommen hatte, und davon, was von uns gefordert wurde. »Müssen wir denn wirklich gehen?«, fragte ich.
Sie nickte. »Ja. Als du kamst, hatte ich gerade eine schreckliche Neuigkeit von Mr. Newbery erfahren.«
Ich sah sie an. »Es gibt so viele schreckliche Dinge«, sagte ich.
»Die Totenliste. Letzte Woche sind sechstausend Menschen in London gestorben.«
»Sechstausend!«
»Und fast zweitausend weitere, die aus sonstigen Gründern gestorben sind - und man fürchtet, dass es noch mehr werden. Überall sterben so viele Menschen, dass nicht mehr genügend Männer zum Versiegeln und
Bewachen der befallenen Häuser da sind. Mr. Newbery sagt, dass die Angesteckten bald auf der Straße herumgehen und andere anstecken werden und dass ganz London aussterben könnte.«
Ich legte den Kopf in die Hände und stieß einen Schrei der Verzweiflung aus. Wie hatte ich je auf den Gedanken kommen können, dass das Leben in dieser Stadt - in diesem Leichenhaus - dem friedlichen Leben auf dem Lande vorzuziehen sei?
Sarah ging bereits in unserem Zimmer umher, zog Sachen aus der Kommode und packte sie in eine Stofftasche. »Wir müssen unsere guten Kleider anziehen«, sagte sie. »Wenn wir uns nämlich als reiche Herrin mit ihrem Kindermädchen ausgeben wollen, müssen wir auch so aussehen.«
Sie legte ihre Schürze und ihr Alltagskleid ab, warf sie auf das Bett und zog dann ihr bestes graues Taftkleid und ihre Jacke an und setzte ihre kleine spitzenbesetzte Kappe auf. »Es ist zwar nicht gerade der letzte Schrei«, sagte sie, »aber ich gehe mal davon aus, dass das den Männern an den Stadttoren nicht auffallen dürfte.«
Sie kam zu mir und nahm meine Hände in die ihren. »Komm, Hannah. Das ist unsere Rettung!« Ich gab keine Antwort und rührte mich auch nicht, also schüttelte sie mich leicht an den Schultern. »Los, Hannah! Zieh dein blaues Kleid an und darüber meinen kleinen Reiseumhang.«
Ich stand auf und drehte mich um, damit Sarah mein
Kleid im Rücken aufknöpfen konnte. Allerlei Gedanken schossen mir durch den Kopf: Tom, Abby, die Reise, das Baby...
»Wir werden den Laden schließen und niemandem sagen, dass wir gehen, es könnte ja ein Gesetz geben, das verbietet, sich als jemand Vornehmes auszugeben und dessen Gesundheitsbescheinigung zu übernehmen«, sagte Sarah. Folgsam nickte ich. Ich war froh, dass Sarah die Führung übernommen hatte, denn ich fühlte mich nicht in der Lage, selbst Entscheidungen zu treffen.
Zwei Taschen mit
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