Zuckermond
fast unverschämte Attraktivität, wirkte hart und dennoch verletzlich. Die hohen Wangenknochen in dem fein gemeißelten Gesicht, die gerade Nase und die sinnlichen Lippen. Dann das wundervoll dichte, lange, tiefschwarze Haar und die grün blitzenden Augen. Diese Attribute brachten wirklich jedes Frauenherz zum Schmelzen. „Er sieht eben auch umwerfend gut aus. Ich überlege, ob ich dich beneiden soll.“ Ihre Augen bekamen einen verträumten Ausdruck. „Glaub mir, da gibt es nichts zu beneiden!“ Helena lachte bitter auf. „Denn jemand, der sich im Rotlichtmilieu bewegt, passt einfach nicht in mein Leben. Es war wirklich wahnsinnig heiß, aber nun könnte sich der Knabe mal wieder aus meinem Hirn verabschieden. Und nun bitte Themawechsel.“ In den nächsten Stunden plauderten sie über Gott und die Welt, hielten sich über die jeweiligen Neuigkeiten auf dem laufenden und scherzten vergnügt miteinander. Dann meldete sich bei allen ein leichtes Hungergefühl. „Ich mach uns ein paar Spaghetti.“ Sabina sprang auf und begann im Vorratsschrank nach Nudeln und den passenden Zutaten zu kramen. „Apropos Essen – wie wäre es, wenn wir heute Abend unseren Lieblingsitaliener aufsuchen?“ Auffordernd blickte Helena in die Runde. Dieser Vormittag hatte ihr mehr als gut getan und sie beschloss, sich nicht wie vorgehabt um die Mittagszeit zu verabschieden. „Gute Idee. Bei Carlo waren wir schon lange nicht mehr und meine Geschmacksnerven würden sich mächtig auf eine saftige Pizza Amalfi freuen!“, meldete sich Sabina zu Wort. „Ich bin auch dabei.“ Kathrin grinste. „Vielleicht hat Francesco ja heute Dienst. Seine Augen und sein Charme haben es mir angetan und ich würde weiß Gott was für ein paar leidenschaftliche Stunden mit ihm geben.“ Helena runzelte die Stirn. „Dieser Frauenheld? Er hat schon so manch gebrochenes Herz zurückgelassen und ich würde mir für dich einen besseren Mann wünschen, liebe Kathrin. Außerdem vergiss bitte nicht, dass du gerade dabei bist einen Schritt in Richtung Beziehung zu wagen. Und das mit einem Mann, bei dem ich es sehr bedauerlich finden würde, wenn es zum Bruch käme. Oder hast du Thomas etwa schon wieder abgeschrieben?“ „Nein. Ich habe Thomas nicht abgeschrieben. Er ist okay und ich glaube, das mit uns könnte was werden. Aber schließlich will ich ihn ja nicht gleich heiraten. Hey, Helena, ich bin keine Heilige. Ich will ein bisschen Spaß, mehr nicht.“ Sabina stand da, die Hände in die Hüften gestemmt und funkelte Kathrin ärgerlich an. „Wenn du dir die Sache mit Thomas verscherzen solltest, weil du deine Hormone mal wieder nicht im Griff hast, dann komm anschließend bloß nicht bei mir angekrochen um mir stundenlang dein Herzensleid zu klagen. Diese Nummer kenne ich mittlerweile zur Genüge und sie steht mir bis hier!“ Sabina vollzog eine entsprechende Handbewegung. „Ja, ja. Hab schon kapiert. Schätze mal, ich muss mich damit abfinden, dass ich mit zwei Moralaposteln befreundet bin. Ich verspreche hoch und heilig, ich werde heute Abend brav sein.“ „Ich hau dir auf deine Patschepfötchen, wenn nicht...“ „Okay, okay. Ich werde mich euren Forderungen stellen. Auf jeden Fall steht fest: Heute Abend geht’s zu Carlo. Und darauf freue ich mich. Basta!“
Kapitel 7
Helena klemmte die Zungenspitze zwischen die Lippen und trug mit dem Pinsel die cremige Ölfarbe auf die Leinwand auf. „Noch ein bisschen von diesem Sonnengelb und es ist perfekt.“ Leider kleckerte etwas von der gelben Farbe herab und hinterließ einen unschönen Fleck auf einem Teil der Leinwand, wo eigentlich gar keine gelbe Farbe hingehörte. „So ein Mist aber auch.“ Sie versuchte die Stelle mit der ursprünglichen Farbe zu kaschieren, doch der gelbe Fleck war noch zu feucht, als dass eine andere Farbe ihn abdecken könnte, und so wurde aus einem kleinen gelben Malheur ein größeres, schmutzig graues Etwas. „In letzter Zeit will mir aber gar nichts so richtig gelingen. Kein Wunder, ich bin ja auch gar nicht richtig bei der Sache. Hinter ihr lag ein langer anstrengender Arbeitstag. Und entgegen ihrer sonstigen Gewohnheit war sie mit ihren Gedanken nicht bei der Sache. Wenn sie ehrlich zu sich selbst war, geschah dies in den letzten Wochen immer häufiger. Genau genommen, seit Leonard in ihr Leben getreten war. Ein tiefer Seufzer entrang sich ihrer Brust. Sie erkannte sich selbst nicht wieder. Es ist wirklich zum Verzweifeln. Dieser Typ geht mir einfach nicht mehr aus
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