Zuckermond
verschwand wieder. Helena hatte Rafael auf Anhieb gemocht. Er hatte etwas an sich, was ihr sofort ein vertrautes Gefühl gab und seinem intelligenten und offenen Gesicht merkte man sofort an, dass er gut zuhören konnte – und auch wollte. Zudem war er schön, schlank, sensibel und sehr, sehr sexy. Sie freute sich auf das gemeinsame Abendbrot. Helena entschied sich für ein luftiges lavendelfarbenes Sommerkleid, schlüpfte in Sandaletten im gleichen Farbton und band ihr Haar zu einem Pferdeschwanz. Auf Make-up verzichtete sie, was sie selten tat, aber heute war ihr einfach danach. Dann stieg sie die Treppe zu Rafaels Wohnung hinauf, drückte den Klingelknopf und trat lächelnd ein, als er sie mit einer formvollendeten Verbeugung begrüßte. „Willkommen in meinem kleinen, aber feinen Reich. Ich habe uns Omelette gemacht. Ich hoffe, dies war in deinem Sinne.“ „Mmmhhhmmm… aber ja. Nun merke ich auch, welch einen Hunger ich habe. Es duftet fantastisch.“ Sie folgte ihm in die gemütliche Küche und setzte sich. „Möchtest du etwas trinken?“ „Gern, eine Cola, wenn du hast.“ Sie schaute sich in der gemütlichen Küche aus Stahl und Chrom um. Sämtliche Accessoires waren dunkelrot und harmonierten aufs Beste mit der Einrichtung. „Du hast eine fantastische Küche. Jetzt erzähl mir auch noch, dass du gerne kochst, und ich heirate dich vom Fleck weg.“ Sie lachte fröhlich. Rafael reichte ihr die Cola. „Ich koche leidenschaftlich gern. Du kannst also schon mal das Aufgebot bestellen.“ Er zwinkerte frech. „Aber mal im Ernst: Da ich häufig für Leonard mitkoche, denn für mich allein ist es oftmals zu viel und Leonard gehört eher zur Gattung ‚Kochmuffel’, wirst auch du in den nächsten Tagen eine Kostprobe meiner kulinarischen Kreationen bekommen. Natürlich nur, wenn du magst.“ „Aber sicher. Ich freue mich schon darauf.“ „Du wirst ab heute genau siebzehn Tage hier sein, richtig?“ Helena nickte. Sie verspürte ihm gegenüber nach wie vor ein leichtes Schamgefühl und eine gewisse Unsicherheit. „Verrückt oder?“ „Und wenn schon. Ist doch okay. Warum nicht ab und zu ein wenig verrückt sein? Hauptsache, du kommst mit der Situation klar. Oder hast du mehr für Leonard übrig?“ Helena spürte, wie ihr das Blut ins Gesicht schoss. Sie beschloss ehrlich zu ihm zu sein. „Kann ich mich darauf verlassen, dass das, was ich dir erzähle, unter uns bleibt?“ „Versprochen. Ich werde schweigen wie ein Grab.“ Er legte den Zeigefinger auf seine Lippen, um zu demonstrieren, wie ernst es ihm war. Helena atmete tief durch. „Okay. Wenn ich ehrlich bin, übt Leonard eine besondere Faszination auf mich aus. Er kann mir und meinem Herzen gefährlich werden.“ Sie seufzte. „Auch wenn jetzt schon feststeht, dass ich seit dem Tag, an dem ich ihm begegnete, nicht mehr dieselbe bin, so habe ich keinesfalls vor, mein Herz an ihn zu verlieren. Erstens hat er mir ganz klar zu verstehen gegeben, dass er auf solche Gefühlsdinge keinen Wert legt und zweitens bringt er mein inneres Gleichgewicht durcheinander, wenn du verstehst, was ich meine. Ich hoffe, es gelingt mir, den inneren Abstand zu wahren.“ Sie seufzte erneut, diesmal etwas lauter. „Und bitte, bitte – kein Wort zu Leonard, ja?“ „Leonard und ich sind zwar dicke Freunde, aber keine siamesischen Zwillinge, die kein eigenes Leben, Denken und Fühlen besitzen. Du kannst dir meiner Verschwiegenheit absolut gewiss sein.“ Helena seufzte leise. „Das tut gut zu hören. Ich schätze, ich kann in den nächsten Tagen jemanden brauchen, dem ich mein Herz ausschütten kann.“ „Dafür stehe ich dir jederzeit zur Verfügung. Ich weiß, wie es ist, wenn die Gefühle Karussell fahren und man zeitweise nicht mehr weiß, wo oben und unten ist.“ „Ich will dir ja nicht zu nahe treten, aber gerade eben hast du sehr melancholisch geklungen.“ „Nun, ich stehe momentan nicht gerade im Zenit meiner Gefühle. Aber es wird schon wieder.“ „Liebeskummer?“ „Bingo. Und zwar Liebeskummer der Sonderklasse. Es gibt Momente, in denen ich auf einem guten Weg bin – gefühlsmäßig. Aber dann ist diese dunkle Wolke urplötzlich wieder da. Als hätte sie in irgendeiner Ecke nur darauf gelauert, mich in nichts ahnenden Momenten anzufallen. Nicht jeden Tag – aber oft – zu oft! Eine Traurigkeit, die tief und unbestimmt ist. Scheinbar unendlich. Die einfach da ist. Erdrückend. Schwarz wie die Nacht. Und man kann nur bewegungslos dasitzen in der
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