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Zuckerpüppchen - Was danach geschah

Zuckerpüppchen - Was danach geschah

Titel: Zuckerpüppchen - Was danach geschah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Hassenmüller
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alles ganz prima sei, ein reizender Abend. Sie öffnete den Mund, holte Luft, und dann war es zu spät. Krabben, Aal und Lachs und eine braune Brühe ergossen sich über ihr entzückendes Kleid, und als sie sich entsetzt vornüberbog, auch über die Füße ihrer Gastgeberin. Seidenschuhe, dachte Gaby, Seidenschuhe von Bally. Sie würgte und würgte und kotzte alles aus sich heraus. Aal und Krabben und Whisky! Die Schuhe waren verschwunden. Jemand kam mit einem Eimer Wasser. “Komm jetzt”, sagte Hubert, und ganz freundlich: “Geht es wieder?” Und zu jemand anders: “Sie ist krank. Ich werde den Arzt rufen.”
    “Morgen rufe ich Dr. Rehbein”, hatte Pappi vor Jahren gesagt. “Sie ist krank. Laß sie in Ruhe.”
    Ja, Ruhe wollte sie, aber die Schlangen waren nicht mehr im Zaum zu halten. Sie würgte und würgte. Hubert gab ihr im Auto eine Plastiktüte. Tränen liefen ihr übers Gesicht, Erbrochenes lief ihren Hals hinunter. Sie roch die Säure und würgte aufs neue. Irgendwie kam sie in ihr Bett. Hubert zog sie aus. Er stellte einen Eimer neben ihr Bett. Sie wimmerte. In ihrem Kopf zerplatzten Leuchtkugeln. Ich kann nichts mehr sehen, wollte sie sagen. Alles ist schwarz. Aber wenn sie den Mund aufmachte, mußte sie würgen, kotzen. Die Schlangen, dachte sie, die Schlangen wollen heraus. Sterben will ich, dachte sie, endlich sterben. Irgendwann kam der Arzt. Sie erkannte seine Stimme. “Alkoholvergiftung”, sagte er. “Tabletten und Alkohol. Fatal, äußerst fatal.” — “Ich kann Sie nicht sehen”, flüsterte Gaby zwischen zwei Wellen von sie überschwemmender Übelkeit. “Mein Kopf, er zerspringt.” — “Ruhe”, sagte der Arzt. “Drei Tage absolute Ruhe. Und dann reden wir über alles.”

    Hubert sah auf sie herab. “Ich habe dir Tee gebrüht. Es ist vielleicht vernünftig, wenn du etwas trinkst.” Vernünftig! Sie fühlte sich hundsmiserabel, und er redete von vernünftig. Wahrscheinlich war er böse auf sie, schämte sich, daß seine Frau sich so benommen hatte. Schande hatte sie ihm gemacht, Schande ausgerechnet bei seinem höchsten Chef. “Bist du mir böse?” Sie wagte nicht, ihn anzusehen. “Böse?” Er schnaubte, als wolle er vor seiner Nase ein lästiges Insekt wegblasen. “Du hast dich sinnlos betrunken, dich vor allen Leuten übergeben, warum sollte ich dir böse sein?” Sie zog die Bettdecke noch ein wenig höher. “Es tut mir leid”, flüsterte sie. “Ist ja jetzt auch nicht mehr zu ändern”, sagte er kühl. “Hauptsache, du bist bald wieder auf den Beinen. Morgen kommen die Kinder.” Sie sah auf die weiße Tür, die er leise hinter sich ins Schloß gezogen hatte. Drei Tage lag sie jetzt schon in ihrem Schlafzimmer und starrte die Decke an. Immer noch war ihr übel, und wenn sie ihren Kopf zu schnell bewegte, durchschoß ihn ein messerscharfer Schmerz. Aber sie konnte die Dinge um sich herum wieder erkennen, und sie konnte nachdenken. Sie hatte viel Zeit zum Nachdenken.
    Daniel und Alex durften nur ganz kurz ins Schlafzimmer. “Mammi ist krank”, sagte Hubert und nahm sie bei der Hand. “Wir gehen nach unten etwas spielen.” Manfred wohnte seit kurzem in Utrecht. Nachdem er sein Abitur mit Hängen und Würgen bestanden hatte, wollte er in der Universitätsstadt Deutsch studieren. Anders als bei Natalie, fühlte sie, daß ihr Sohn noch nicht so weit war, um auf eigenen Beinen zu stehen. Aber sie konnte im Moment nichts für ihn tun. Sie konnte nicht einmal für sich selbst etwas tun.
    Sie sollte Hubert dankbar sein, aber sie fühlte sich einsam und von allen verlassen. Nicht einmal hatte er sie in den letzten Tagen in die Arme genommen, sie getröstet. Natürlich, sie hatte sich unmöglich benommen. Aber das hatte doch einen Grund. Erst die Kopfschmerzen, dagegen hatte sie starke Zäpfchen genommen, dann die Panik, nicht stehen zu können, dagegen hatte sie Beruhigungspillen geschluckt. Na ja, und dann der Whisky bei dem Empfang. Natürlich hätte sie wissen müssen, daß sie das nicht vertragen konnte, aber wenn die Angst sie anfiel, war es, als könne sie überhaupt nicht mehr denken. Das einzige, was sie dann noch fühlen wollte, war die etwas träge Gleichgültigkeit, die alles Schmerzende um sie herum in Watte verpackte. Warum fragte er nie: “Warum?” Er sah ihren Tablettenmißbrauch, fühlte, wie sie zitterte, nahm es zur Kenntnis und fragte nie: “Warum?”
    Mutti hatte auch nie gefragt. Nicht, wenn Gaby grün und blau geschlagen war, nicht, wenn sie

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