Zuckersueßes Chaos
schon so einige Dinger geleistet und unberechenbar, wie er war, war ihm so gut wie alles zuzutrauen. Aber woher sollte er wissen, dass mir das Stoffbuch überhaupt wichtig war? Ich überlegte angestrengt, ob ich in der letzten Woche irgendetwas über meine Arbeit gesagt hatte, als er in der Nähe war. Und tatsächlich, jetzt, wenn ich so darüber nachdachte, hatte ich am Strand erwähnt, dass ich bald in einem Modegeschäft arbeiten würde. Aber das hatte ich doch nur so nebenbei erzählt. Unmöglich, dass er diese Information als so wichtig aufgefasst hatte, dass er mir damit eins auswischen wollte, oder? Andererseits hatte Vicky ihn als Genie bezeichnet und Genies merkten sich doch bestimmt auch die unbedeutendsten Dinge.
Ja, er musste es gewesen sein, das war die einzig mögliche Erklärung. Ich hatte mein Zimmer gründlich durchsucht und in den zwanzig Minuten, die ich duschen war, hätte er das Buch in aller Ruhe entwenden können. Apropos, wann hatte er das Haus überhaupt betreten? War er vor oder nach mir hereingekommen? Oh Gott und hatte er mich etwa beim Duschen beobachtet? Ich schüttelte den Kopf. Ausgeschlossen. Das Bad hatte keine Fenster und da ich nicht nackt in die Dusche ein und ausgestiegen war, brauchte ich mir darüber keine Gedanken machen. Er war allerdings schon im Haus gewesen, als ich geduscht hatte, denn er hatte immerhin mitbekommen, dass ich zwei Mal unter dem Wasser gewesen war. Gott, dieser verdammte Mistkerl. Wenn er wirklich das Buch geklaut hatte, würde ich ihn eigenhändig umbringen. Das schwor ich mir. Nach der Arbeit rief ich Vicky an, um Jasons Handynummer in Erfahrung zu bringen, doch wie so oft nahm sie nicht ab.
Als ich etwas später zu Hause eintraf - ich war noch Lebensmittel einkaufen - hatte ich sie vier Mal angerufen und einmal auf die Mailbox gesprochen – erfolglos.
»Komm schon verdammt, geh ran«, murmelte ich frustriert. Ich brauchte dieses Buch – heute noch! Ich warf das Handy frustriert auf die Wohnzimmer-Couch und räumte den Einkauf ein, um mich etwas abzulenken. Es half alles nichts. Sie würde erst rangehen, wenn sie rangehen wollte, egal, wie oft ich durchklingelte. Da konnte ich genauso gut schon mal Ordnung machen. Als ich das erledigt hatte und gerade das Wechselgeld in die Haushaltskasse legte, öffnete sich die Haustür.
»Na endlich!«, rief ich, kaum, dass Vicky die Tür geschlossen hatte. Sie sah mich neugierig an und fragte:
»Was gibt’s denn?«
»Was es gibt? Ich habe dich tausend Mal angerufen, das gibt es«, erwiderte ich angekratzt. Sie zog ihre Schuhe aus und hängte den Mantel an die Garderobe.
»Sorry, ich war beschäftigt gewesen und hab die Anrufe gerade erst gesehen.«
»Ist ja auch egal«, winkte ich ab.
»Ich brauche Jasons Nummer.« Sie sah mich überrascht an.
»Jason?«
»Ja, Jason Westwood«, bestätigte ich ungeduldig.
»Er hat mir etwas gestohlen und das möchte ich wiederhaben.« Sie wollte gerade in die Küche gehen, hielt dann aber verblüfft inne. Ich hatte ihre volle Aufmerksamkeit.
»Okay. Das musst du mir genauer erklären.« Und das tat ich auch und als ich einige Minuten später fertig war, lachte sie lautstark.
»Und was genau ist daran jetzt lustig?«, fragte ich stirnrunzelnd und verschränkte die Arme vor der Brust.
»Das hat er nicht getan, oder?«, fragte sie und wischte sich die Tränen weg.
»Leider doch und zwar Wort für Wort«, bestätigte ich wenig begeistert.
»Er hat mir zwar gesagt, dass er sich dafür böse rächen wird, aber dass er dich zu Tode erschreckt und ein Buch mitgehen lässt, ist wirklich irre komisch.«
»Ja zum Totlachen«, bekräftigte ich kopfschüttelnd und verlangte erneut nach seiner Nummer. Sie gab sie mir.
»Ich glaube zwar nicht, dass er so schnell mit dem Buch rausrücken wird, aber viel Glück«, sagte sie und pflanzte sich vor den Fernseher. Ich lief in mein Zimmer, schloss die Tür und setzte mich aufs Bett. Dann rief ich an.
»Hallo?«, erklang seine Stimme beim dritten Klingeln. Im Hintergrund konnte ich laute Stimmen hören.
»Ich will mein Buch zurück«, sagte ich ohne Umschweife. Es herrschte kurz Stille, dann sagte er:
»Kannst du deiner Cousine bitte ausrichten, dass sie meine Nummer nicht an dahergelaufene Groupies verteilen soll? Danke.«
»Ich meine es ernst, Jason! Ich will mein Buch zurück oder ich schwöre dir …« Doch das Telefon tutete bereits.
»Das hat er nicht getan«, flüsterte ich fassungslos und starrte das Handy an.
»Dieser
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