Zügel der Leidenschaft
Blick zu Priscillas Mutter, die vier Tische entfernt in eine Unterhaltung mit einer Freundin vertieft war. Er hätte diesem Mittagessen nicht zustimmen sollen, aber er hatte Charlottes Einladung in einem schwachen Augenblick früh am Morgen angenommen, als er einen noch stärkeren Kater als gewöhnlich hatte – was in der letzten Zeit oft vorkam.
»Ich wünschte, ich könnte kommen«, log er, »aber ich habe Termine mit meinen Bankiers in der City, die mich die ganze Zeit über fesseln.«
»Sie könnten doch am Samstag kommen«, schmeichelte Priscilla. »Banken sind doch samstags geschlossen.«
»Das wäre eine Möglichkeit«, erwiderte er, weil er das Gespräch nicht fortsetzen wollte.
»Oh, ich bin sicher, Sie werden kommen. Es wird sehr hübsch werden. Angelas Haus strahlt einfach so viel Geschichte aus, ganz zu schweigen von ihrem mittelalterlichen Kloster und dem entzückenden Vogelschutzgebiet. Sie hat sogar gurrende Täubchen«, fügte Priscilla charmant hinzu.
»Habe ich schon erwähnt, daß ich heute morgen bei Aspreys ein Schmuckstück gesehen habe, das Ihnen perfekt stehen würde?« fragte Kit in der Absicht, jegliche weitere Erwähnung Eastons zu vermeiden. »Wenn Ihre Maman nach dem Lunch Zeit hat, würde ich gern ihre Meinung dazu erbitten.«
»Für mich?« rief Priscilla aus, und alle Gedanken an Easton waren wie weggefegt. »Sagen Sie mir, was es ist.«
»Man sagte mir, es habe einst einer Maharani gehört. Es ist ein schlichtes kleines Armband, aber die Perlen sind exquisit.«
Priscilla wußte nur allzugut, wie Kit, daß Geschenke an junge Mädchen sich auf preiswerte Kleinigkeiten beschränken sollten – aber Perlen waren immerhin mädchenhaft genug, und ein Armband war weniger intim als andere Schmuckstücke. Der Schatz einer Maharani deutete auf ein teures Stück hin – und diese Elemente hatte Kit geschickt zusammengestellt, um das Geschenk ebenso akzeptabel wie wünschenswert zu machen. Er hatte es ganz bewußt ausgesucht – denn es war als Abschiedsgeschenk gedacht. Seit Anfang der Woche lag die Desirée bereit, in See zu stechen.
Soweit Angela wußte, waren die Pembroke-Damen zusammen mit Kit angesagt; etwas anderes hatte sie nicht von Charlotte gehört, denn diese hatte bis zur letzten Minute gehofft, Kit würde zusagen. Angela stellte also dementsprechend ihre Gästeliste auf, in der Absicht, das Haus mit Menschen zu füllen, damit ja keine Gelegenheit entstand, in der sie mit Kit allein blieb – obwohl ihr letztes Zusammentreffen auf Schloß Morton ja darauf hinwies, daß er bereits sein Interesse an ihr verloren hatte.
Ihre Halbschwester Millie und ihr Schwager, der Herzog von Sutherland, kamen am Donnerstagmorgen als erste an, kurz darauf von ihrer anderen Halbschwester Dolly und deren Mann Carsons gefolgt. Sie waren alle in fröhlichster Stimmung, und nachdem man die übliche Flut von Gepäckstücken, mit denen ihre Schwestern stets reisten, in den Zimmern untergebracht hatte, traf sich die kleine Familiengruppe im Speisesaal zum Lunch.
Als Angela die Zahl der erwarteten Gäste erwähnte, sagte Millie überrascht: »Ich dachte, du wärst die großen Gesellschaften leid? Nach der letzten Party für Bertie hast du geschworen, nie wieder so viele langweilige Leute im Haus zu haben.«
»Hab' Geduld mit mir, meine Liebe, ich muß mich gegen Charlotte, Priscilla und deren Beau wappnen. Nach der endlosen letzten Saison habe ich keine Lust, die Anstandsdame zu spielen. Wenn so viele andere da sind, bin ich dazu nicht verpflichtet.«
Millies Salatgabel verharrte mitten in der Luft. »Hat Charlotte ihren reichen Amerikaner immer noch nicht zum Altar geschleppt?«
»Nicht daß ich wüßte«, erwiderte Angela und dachte an Olivias Nadelspuren.
»Charlottes Tochter war vor ein paar Tagen mit einem fantastisch aussehenden dunkelhaarigen Mann im Ritz«, sagte Dolly. »Das ist wohl der Zukünftige?«
»Klingt nach Mr. Braddock.« Kit trifft sich also immer noch mit Priscilla, dachte Angela. Warum überraschte sie das? Er war ein praktisch veranlagter Mann. Er brauchte eine Braut. Wie die meisten Männer betrachtete er seine Amouren als ein völlig anderes Gebiet als die Brautschau.
»Wenn das ihr Freier war, dann sah er aber nicht sonderlich interessiert aus.«
»Um Himmels willen, Dolly«, warf ihr Mann ein. »Warum soll er denn beim Lunch im Ritz begeistert aussehen?«
»Wenn er sie wirklich liebte, würde er das«, entgegnete sie honigsüß.
»Es scheint, Mr. Braddock sucht
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