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Zuendels Abgang

Zuendels Abgang

Titel: Zuendels Abgang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Werner
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über ihr feuriges Zäpfchen?
    Mittlerweile hatte man einen fast finsteren Hinterhof überquert, und jetzt noch abzuspringen schien Zündel unmöglich. Die Frau, die sich immer wieder einmal nach ihm umgeblickt und dabei wie eine Schlange gezüngelt hatte - vermutlich im Glauben, ihn damit auf Trab zu bringen -, trat nun in einen langen, schwach erleuchteten Korridor, an dessen Ende sich eine Portierloge befand. Offenbar ein Stundenhotel, dachte der nachkommende Zündel, und im gleichen Augenblick merkte er mit Entsetzen, wo er war. Armonia! knirschte er innerlich, aber der dürre Portier strahlte zum ersten Mal und rief mit Donnerstimme: »Benvenuto Signor Sündel!« - Zündel hatte einen Schweißausbruch, hauchte »buona sera«, verwünschte seine Unternehmungslust, seine  Blindheit, verwünschte alle Hintereingänge und fand, ihm bleibe keine Schmach erspart.

    Irgendwo ging es ein schmales Wendeltreppchen hoch, dann links, dann rechts, und dann hinein ins Zimmer der Frau.
    Sie schloß die Tür und verlangte das Geld. Sie sagte, es koste ein wenig mehr als abgemacht, dafür amore italiano. - Zündel fragte sich, ob amore italiano wohl die Bezeichnung für jene Liebespraktik sei, die ihm unter dem Namen ›französische Liebe‹ bekannt war. Er hoffte es nicht und zahlte. Sie zog sich Rock und Höschen aus, ging zum Lavabo und wusch sich flüchtig mit einem grünen Schwamm. Zündel schaute sich um. Sein Blick blieb haften auf dem gelben, geflochtenen Plastikpapierkorb, der neben dem Bett stand und halb voll war mit gebrauchten Präservativen. Er bekam Gänsehaut. Die Frau trat zu ihm heran und öffnete den Reißverschluß seiner Hose. Sie sagte mechanisch: Amore amore. Sofort zog er den Reißverschluß wieder hoch. Jetzt legte sie sich aufs Bett und tat die Beine auseinander. Sie zuckte ein paarmal mit dem Unterleib und stöhnte verführerisch dazu. Er trat an den Bettrand, sah sie an. Das einzig Natürliche, das einzig Liebenswerte an ihr war ihre Häßlichkeit, alles andere schien ihm tot. - Gefall ich dir nicht? fragte sie und griff erneut nach seinem Reißverschluß. Er blickte auf die unzähligen blauen Aderchen an ihren Oberschenkeln. Doch doch, sagte er, aber ich habe keine Lust. - Sie schnellte hoch und schrie: Und das Geld? - Das gehört dir, sagte Zündel, ging rasch hinaus und suchte traurig sein Zimmer.

    15

    Die letzte Ferienwoche brach an. Er begriff immer weniger, warum er damals, nachdem ihm sein Zahnarzt einen provisorischen Stiftzahn eingesetzt hatte, nicht doch noch nach Griechenland gereist war. Die schönsten Julitage verhockte oder verdöste er in muffigen Pensionen, verbummelte er in Gassen, die ihm immer enger, immer trübseliger vorkamen.
    Das Elendsgefühl beim Erwachen wurde täglich aufdringlicher, so daß er oft bis elf, zwölf oder gar zwei Uhr im Bett blieb und auf Erlösung wartete. Doch benebelte das halbwache Brüten Kopf und Glieder noch mehr. Es war ihm dann, als liege er, von Schlingpflanzen umrankt, in einem lauen Tümpel und dämmere reglos der Verwesung entgegen.

    An Magda dachte er wenig. Die Anfälle aggressiver Sehnsucht waren selten geworden. Seine Frau schien ihm jetzt fast so fern wie der Hund, der ihn vor zwei Jahren auf einer Wanderung im Berner Oberland gebissen hatte.

    Fern, sehr fern war ihm auch die Schule. In weniger als einer Woche würde der Unterricht wieder beginnen. Unvorstellbar. Unvorstellbar, reden, reden, reden zu müssen trotz rasender Stummheitswünsche. - Guten Tag miteinander, so, schöne Ferien gehabt? Gut, dann beginnen wir jetzt frisch und ausgeruht und haselnußbraun mit dem Dreißigjährigen Krieg.
    Und wieder im Lehrerzimmer sitzen, umplätschert von Konversation, ummurmelt von Kundgaben. Das rechte Ohr hört: Ein williger Schüler, schwach, aber willig. -Das linke Ohr hört: Streß ist auch nur ein Schlagwort. -Das rechte Ohr hört: Aufs Grillieren verstehen sich die Jugoslawen. - Das linke Ohr hört: Nach Duden ist der Dativ zulässig. Unvorstellbar.
    Und wieder im Schmocker-Block wohnen! Täglich das Treppenhaus. Rosenkohl bei Lustenbergers. Abends Trompete vom Schmocker junior. Magda deckt den Tisch für das Frühstück. Spätausgabe der Tagesschau:
    Abriß aktueller Brutalitäten. Zähne putzen. Ein letztes Mal Wasser lösen, dabei ein zehntausendstes Mal die Aufschrift lesen: Ihr Klosettdeckel ist nicht angeschraubt, sondern aufgesteckt. Er ist also problemlos zu reinigen. Unvorstellbar.

    16

    Portofino ist weltberühmt, und am

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