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Zuendels Abgang

Zuendels Abgang

Titel: Zuendels Abgang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Werner
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Waffenhandlung.
    Er wirft einen Blick auf die im Schaufenster ausgestellten Modelle, und trotz der Vielfalt des Angebots entscheidet er sich rasch für einen handlichen, silberfarbenen Trommelrevolver, Kaliber 38 Special, mit braunen Holzgriffschalen.
    Er gibt Carlo, der sich in zwanzig Metern Entfernung mit einem Mann unterhält, ein Zeichen. Carlo schlendert heran und sagt halblaut: Mach schnell! Welchen willst du? - Den hintersten rechts, Kaliber 38 Special, 200000 Lire, con cinquanta colpi, flüstert Zündel. - Okay, sagt Carlo, jetzt führt dich mein Kollege dort an einen sicheren Ort. Ich besorge das Gewünschte und komme in einer halben Stunde nach. Okay?
    Der andere, der Kollege, sieht noch zwielichtiger aus als Carlo. Zündel gefällt es nicht recht, daß er nun doppelt betreut wird. Doch trottet er in der vorgeschriebenen Distanz hinter dem neuen Führer her.
    Wieder taucht man in eine der Seitengassen, gelangt in die Via di Prè, folgt ihr ein kurzes Stück, biegt nach rechts ab in eine kehrichtreiche Schlucht, die sich, bevor sie weiter oben in die belebte Via Balbi mündet, zu einem kleinen Platz verbreitert. Hier wartet man. Es gibt keine Unterhaltung. Man raucht.
    Hoch oben, an einer quer über den Hof gespannten Leine, hängen reglos ein paar Wäschestücke. Ich habe keinerlei Chancen, denkt Zündel. Einer hält mich fest, der andere nimmt mir das Geld ab, und wenn ich mich wehre, schlagen sie mich tot. Aussteigen kann ich nicht mehr - natürlich, darum gab Carlo mir einen Bewacher mit. Herrgott, was bin ich für ein Anfänger, tappe sorglos in die Falle. Würdig sterben: ja, meinetwegen, jederzeit. Aber in irgendeiner Genueser Scheißgasse sang- und klanglos verrecken, das habe ich nicht verdient! Es dämmert.
    Der Bewacher summt harmlos vor sich hin. Endlich kommt Carlo, das Paket mit Waffe und Munition unter dem Arm. Die Schachtel ist in solides Packpapier gewickelt und mehrfach umschnürt. Zündel schämt sich für seinen Argwohn. Der Komplize bekommt den Auftrag, am Ende der Gasse Schmiere zu stehen und die Via Balbi zu überwachen. Dann sagt Carlo: 200000 und 50000 für das Risiko. Die Patronen sind gratis. Okay?
    Entsetzt starrt Zündel auf Carlos linke Hand: Der Zeigefinger fehlt, und auf dem Stumpf klebt ein verschmutztes
Pflaster.
Nicht einverstanden? fragt Carlo.
    Doch doch, 250000, okay okay! sagt Zündel und greift nach dem Portemonnaie. Aber dann zögert er. Und sagt: Versteh mich recht, eigentlich möchte ich mir die Sache schnell ansehen, bevor ich zahle!
    Carlo holt aus, schlägt Zündel anerkennend auf die Schulter, streckt ihm das Paket hin und sagt: Bravo, du verstehst das Geschäft! Siehst du die Bar dort drüben, auf der ändern Straßenseite, gleich neben der Cartoleria? Da gehst du hinein, zur hinteren Pendeltür wieder hinaus, und dann siehst du rechterhand ein kleines WC. Dort packst du die Sache in Ruhe aus. Zahlen kannst du nachher, ich warte hier.
    Zündel geht ein paar Schritte in Richtung Via Balbi und schaut unschlüssig über die Straße. Er denkt: Die Tatsache, daß Carlo mich zu einer Kontrolle ermuntert, macht die Kontrolle eigentlich überflüssig, und die Tatsache, daß er mich weggehen läßt, ohne vorher das Geld zu verlangen, beweist, daß es auch in der sogenannten Unterwelt Vertrauen von Mann zu Mann gibt. So wendet er sich denn zu Carlo zurück und sagt augenzwinkernd: Okay, wirst mir schon das Richtige besorgt haben!
    Mit Handschlag bedankt er sich für Carlos Einsatz und blättert ihm fünfundzwanzig Noten in die vier Finger. Carlo pfeift dem Komplizen. Er redet Unverständliches mit ihm. Der Komplize verschwindet in der Gasse, Carlo klopft Zündel nochmals auf die Schulter und lädt ihn zu einem Aperitif ein.
    Zündel hat Sehnsucht nach seinem Zimmer, zudem wird er in Gegenwart Carlos das Gefühl der Gefahr nicht los, aber er möchte nicht unfreundlich sein. Also gut, die Pippo-Bar ist in der Nähe, man trinkt Cynar, das Paket bleibt unter Zündels Arm, man plaudert, Carlo lobt Zündels Italienisch und ist doch eigentlich ein netter Mensch. Zum Schluß warnt er ihn noch vor anderen Schwarzmarkthändlern, es gebe darunter sehr unsaubere Vögel.
    Carlo will zahlen, doch sagt Zündel energisch: Nein nein, ich zahle, ich lade dich ein, du hast mir schließlich einen großen Dienst erwiesen!
    Draußen schüttelt er nochmals Carlos Gaunerpranke, dankt nochmals herzlich, und dann schreitet er so beschwingt wie seit Wochen nicht mehr seinem Albergo zu.

    Es war

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