Zuflucht im Teehaus
Akemi irgendein Geheimnis haben. Und jetzt ist auch noch Mohsen verschwunden, und Jun ist in Gefahr.«
»Mohsen geht’s gut«, sagte Hugh. »Er ist ein paar Tage nach Korea geflogen, damit das britische Unternehmen, das ihn eingestellt hat, den Papierkram erledigen kann. Außerdem kann er von dort aus mit einem richtigen Visum wieder einreisen.«
»Du hast die ganze Zeit gewußt, daß ich mir Sorgen um ihn mache, und mir das nicht gesagt?« Ich war wütend.
»Du hättest eben fragen sollen, statt jedesmal aufzulegen, wenn ich ans Telefon gegangen bin. Mohsen hat sich sogar gestern abend bei mir gemeldet, um mich zu fragen, wie’s dir geht. Es war mir richtig peinlich, daß ich ihm nicht sagen konnte, wo du steckst.«
»Gott sei Dank ist ihm nichts passiert«, sagte ich. »Ich kann’s gar nicht erwarten, Lieutenant Hata davon zu erzählen.«
»Wenn die Mihoris Mohsen nicht umgebracht haben, bedeutet das noch lange nicht, daß sie nichts gegen einen anderen Mann im Schilde führen«, sagte Hugh. »Vielleicht hat sich das, was sie gesagt haben, auf mich bezogen.«
»Mach dich nicht lächerlich! Die kennen dich doch kaum.«
»Seit du nicht mehr da bist, sitze ich auf der tansu .Das ist offenbar gefährlich. Ich will, daß das Ding verschwindet.«
»Na schön, ich sorge dafür, daß sie wegkommt. Vielleicht kann ich Mr. Ishida überreden, sie in sein Lager zu stellen«, sagte ich.
»Kannst du das bitte gleich morgen machen? Du mußt sowieso in die Wohnung; die Hälfte von deinen Holzschnitten ist weg.«
»Gestohlen?« Ich war entsetzt. Meine finanziellen Verluste stiegen allmählich ins Unermeßliche.
»Nein, nein«, kicherte Hugh. »Gestern morgen haben uns ein paar Damen überrascht, die einen Termin mit dir hatten. Aber den hast du offenbar vergessen.«
»O nein!« Jetzt erinnerte ich mich wieder: der Cherry Blossom Ladies’ Club. Ich hätte weinen mögen.
»Ich habe ihnen einen Tee gemacht und ihnen gesagt, daß du wegen eines Auftrags plötzlich weg mußtest. Angus hat den Verkauf gemanagt. Du hast ungefähr neunzigtausend Yen verdient.«
Da ich die Holzschnitte schon Monate zuvor erworben hatte, wußte ich nicht mehr, wieviel Geld ich damals investiert hatte, aber neunzigtausend Yen – ungefähr siebenhundertfünfzig Dollar – waren mir immer willkommen.
»Wie hat Angus denn die Preise festgelegt? Normalerweise gebe ich meinen Kunden einen zehnprozentigen Rabatt auf den Preis, der auf der Rückseite der Bilder steht.«
»Angus hat sie zum ausgezeichneten Preis verkauft, und alle waren zufrieden. Du kannst dich also nicht beklagen.«
»Mrs. Maeda wäre beeindruckt«, sagte ich lächelnd. »Wahrscheinlich wäre ihr Angus als Verkäufer lieber als ich.«
»Wer ist denn Mrs. Maeda?«
»Meine neue Arbeitgeberin. Ich arbeite nachmittags in ihrem Antiquitätenladen in Kamakura.«
»Du hast dir also schon ein völlig neues Leben aufgebaut? Nun, wenn du morgen mit mir nach Hause fährst, kannst du deine tansu nehmen, kurz duschen, dich umziehen und …«
»Wahrscheinlich rieche ich«, sagte ich und schob meine feuchten Sachen weg. Zwar hatte ich zwei Stunden zuvor geduscht, aber Akemi benutzte nur eine geruchsneutrale, organische Seife, die wahrscheinlich nichts tat als zu reinigen.
Hugh senkte die Stimme. »Ich liebe deinen Geruch. So sehr, daß ich nicht mal das Bett abgezogen habe, seit du abgehauen bist.«
Ich rief mir ins Gedächtnis, daß er mich nur aus Pflichtbewußtsein begleitet hatte, und sagte: »Je früher wir ins Bett gehen, desto früher können wir morgen los.«
»Ach?« Jetzt klang er wieder ganz geschäftsmäßig. »Na schön, sollen wir eine Münze werfen, wer den Futon kriegt?«
»Bist du wahnsinnig? Keiner von uns wird auf den tatami- Matten schlafen.« Ich bekam eine Gänsehaut bei dem Gedanken. »Da ist doch lauter Ungeziefer drin.«
»Und was zirpt da drüben?« Er warf einen argwöhnischen Blick in eine Ecke, bevor er begann, sich zu entkleiden.
»Das ist eine Grille. Du solltest dich glücklich schätzen! In der Edo-Zeit haben Aristokraten Grillen in Käfigen gehalten, weil sie ihr Zirpen so schön fanden. Es gibt immer noch ein paar erstklassige Restaurants, die welche haben, um ihre Gäste damit zu erfreuen.« Ich plapperte, um mich von dem Anblick des sich entkleidenden Hugh abzulenken. Als er sein Madras-Hemd aufknöpfte, fiel mir auf, daß er ein bißchen zugenommen hatte. Das machte ihn nicht unattraktiver, sondern weckte nur das Gefühl in mir, ihn
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