Zuflucht im Teehaus
angst.« Ich schwieg, als ich sah, daß ein salaryman ein paar Sitze weiter die Ohren spitzte. Eins der Probleme in der ersten Klasse bestand darin, daß dort mehr Leute Englisch verstanden.
»Egal, ob wir nun ein Kind kriegen oder nicht – wir sollten uns einen angenehmeren Ort zum Leben suchen. Ich denke, wir sollten nach Großbritannien gehen, obwohl ich mit meinem Paß natürlich in ganz Europa arbeiten könnte.«
»Ich will hier nicht weg! Was redest du da eigentlich?« Ich war ziemlich verwirrt über seinen Themenwechsel.
»Tokio ist nicht mehr so wie früher. Die Stadt wird immer gefährlicher, und außerdem hab ich’s allmählich satt, wie ein verdammter Eindringling behandelt zu werden, während die Leute sich vor Begeisterung über dich gar nicht mehr einkriegen.«
»Niemand ist begeistert über mich«, sagte ich.
»Nun hör schon auf! Es gibt keine Besprechung mit meinem Chef, wo er sich nicht nach dir erkundigt; und daheim sind’s der Concierge oder diese Frauen vom Cherry Blossom Club. Du paßt wunderbar hierher, aber bei mir wird das nie so sein. Ich habe die falsche Hautfarbe, und ich kann die Sprache nicht.«
»Das stimmt alles nicht. Du bist angesehen hier, Hugh! Du hast deinen Platz in der Gesellschaft, ich nicht.« Ich hätte mir am liebsten selbst eine Ohrfeige gegeben, weil ich all seine Warnsignale ignoriert hatte – Dinge, die mir vor Angus’ Eintreffen bereits aufgefallen waren, denen ich aber keine Beachtung geschenkt hatte. Jetzt begriff ich Hughs Verärgerung darüber, im Zug angestarrt zu werden, und seinen Rückzug zu Winnie und ihren Fleisch-und-Kartoffel-Mahlzeiten. Er hatte die Nase voll von dem Land, das ich niemals verlassen würde.
In der Wohnung war abgesehen von dem üblichen Durcheinander keine Spur von Angus zu sehen. Ich legte meine Wäsche zu den anderen schmutzigen Sachen in der Waschmaschine und schaltete sie ein, bevor ich ins Bad ging.
»Na, was ist denn aus der Putzfrau geworden?« fragte ich, als ich auf dem Boden der Dusche jede Menge lange rote Haare und Dreck sah.
»Yumiko hat sich beschwert, daß ihr die Arbeit in der Wohnung zuviel wird, und hat gekündigt. Hey, kann ich mit dir zusammen duschen? Ich bin ein bißchen knapp dran, in einer halben Stunde muß ich im Büro sein.«
Ich sagte ihm, er solle vor mir duschen. Ich wollte allein sein; es verunsicherte mich, daß er gar nicht merkte, wie durcheinander ich über seinen Vorschlag war, Japan mit ihm zu verlassen. Ich ging in die Küche und machte uns eine Kanne Tee und Toast. Als Hugh sich mit fröhlichem Gesicht gegenüber von mir an den Tisch setzte, brachte ich kaum einen Bissen herunter. Entweder war mein Magen geschrumpft, oder ich war nicht mehr an Brot gewöhnt.
»Bist du da, wenn ich heimkomme?« fragte Hugh, trank seine Tasse aus und stellte sie auf dem Tisch ab.
»Wahrscheinlich nicht. Keine Sorge, ich werde nie wieder in das Teehaus der Mihoris gehen. Da suche ich mir lieber ein kleines Zimmer, das man wochenweise mieten kann.«
»Wenn das Chaos dich stört, besorge ich eine neue Putzfrau, das verspreche ich dir!«
»Es ist nicht das Durcheinander. Ich will nur nicht mehr mit dir zusammenleben.«
»Wieso? Heute nacht hast du mir doch gesagt, daß du mich liebst!«
»Aber nicht genug, um aus Japan wegzugehen.« Ich mußte schlucken.
»Hey, ich bin doch noch gar nicht weg! Wir können über alles reden.«
»Es ist nicht fair, daß du meinetwegen in einem Land bleibst, in dem du dich nicht wohl fühlst. Du bist jung und ungebunden und kannst dir die besten Jobs aussuchen«, sagte ich düster. »Ich will dir keine Steine in den Weg legen.«
»Ich hätte nichts davon sagen sollen. Hätte ich doch bloß den Mund nicht aufgemacht!« Hugh klang gequält.
»Das mit uns wird nie klappen.«
»Tja, vermutlich hast du recht.« Seine Stimme war jetzt tiefer, beherrschter. »Ich würde mich gern noch weiter mit dir unterhalten, aber ich muß jetzt leider los. Vergiß dein Geld nicht; es ist in der Anrichte, in der oberen linken Schublade.«
Ich sah ihn an.
»Angus hat vier von deinen Holzschnitten verkauft, das hast du doch noch nicht vergessen, oder? Bis dann.« Er war so schnell aus der Tür, daß ich mich kaum von ihm verabschieden konnte.
Nun waren wir also wieder so weit wie zuvor. Ich blieb eine ganze Weile unter der Dusche, aber zum erstenmal im Leben genoß ich es nicht. Dann trocknete ich mich ab, zog mich an und rief Mr. Ishida an. Das Telefon klingelte unzählige Male; er
Weitere Kostenlose Bücher