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mögliche Lösung. Das Seil – wir müssen es damit probieren.«
Anfangs begriff ich nicht, was er meinte, und schaute ihn nur verwundert an. Er erklärte mir seine Idee: Sie war ebenso einfach wie genial. Wir würden uns auf dem Weg zu den Umkleidekabinen auf die Lauer legen und ihn mit einem Seiltrick außer Gefecht setzen, falls er aus dem Wasser stieg, bevor unsere Verstärkung kam.
Folgendes hatte Martin sich ausgedacht: Er wollte dem Mann mit dem nicht aufgerollten Seil entgegengehen, und gleichzeitig würde ich mich von hinten heranpirschen. Während er ihm das 40-Meter-Seil entgegenschleuderte, um ihn zum Straucheln und aus dem Gleichgewicht zu bringen, sollte ich mich von hinten auf die Fußgelenke des Mannes stürzen, damit wir ihn endgültig von den Füßen reißen und fesseln konnten.
Ob dieser Plan allerdings funktionierte, das wussten wir nicht. Natürlich hofften wir nach wie vor auf ein rechtzeitiges Eintreffen der Gruppe, die mittlerweile die westliche Stadtgrenze Münchens erreicht hatte und eine knappe halbe Stunde entfernt war. Doch uns blieb keine Zeit mehr, weil die Ereignisse sich plötzlich überschlugen.
Ich sah, wie unser Mann langsam und schwerfällig aus dem Schwimmbecken stieg, nahm ebenso wie Martin meine verabredete Position ein, und schon war es passiert. Von vorne flog das Seil, von hinten stürzte ich mich auf die Füße, um mit aller Kraft daran zu ziehen. Wie erwartet verhedderte sich der Koloss in den Stricken, verlor das Gleichgewicht, stürzte mit dem Gesicht voran zu Boden, und den Rest besorgten wir: entwirrten in Windeseile den Seilsalat, um die Hände richtig festbinden zu können, hievten das Schwergewicht mit Unterstützung der beiden Bademeister und zweier Streifenpolizisten auf die Beine und führten es nach draußen.
Just in diesem Moment kam unsere Verstärkung mit Blaulicht und Martinshorn angebraust. » Ihr kommt gerade richtig«, begrüßte ich sie fröhlich und übergab ihnen unseren » Gefangenen« für den Transport zur nächsten Polizeiinspektion. Die Kollegen jedoch waren keineswegs amüsiert. » Und dafür unterbrechen wir das Training, rasen über 40 Kilometer hierher, als würde es um Gott weiß was gehen«, murrte einer von ihnen, und die anderen nickten zur Bestätigung. Mir wäre es an ihrer Stelle nicht anders gegangen, dachte ich. Aber was sollte es: Martin und ich freuten uns über unsere ebenso erfolgreiche wie unorthodoxe Lösung eines merkwürdigen Problems und über unseren Seiltrick.
Seit seiner Gründung stand das SEK in dem Ruf, Sammelplatz für die Crème de la Crème unter den Polizisten zu sein. Allerdings gab es eine weitere elitäre Truppe, die genau das ebenfalls für sich beanspruchte: die Sonderfahndung. Auch sie behauptete, nur die Besten in den eigenen Reihen zu haben: kantige, mutige und durchtrainierte Typen, die es mit jedem Schwerverbrecher aufnehmen konnten. Natürlich ist solches Elitedenken Unsinn, denn unzählige Polizisten leisteten damals wie heute ausgezeichnete Arbeit in ihren jeweiligen Fachbereichen. Ob auf Streife, bei der Kripo oder anderswo – es kam und kommt immer auf die Eignung an.
Trotzdem waren die Vorzeigepolizisten von der Sonderfahndung lange Zeit unbestritten die Nummer eins und betrachteten uns vom SEK anfangs als unliebsame Konkurrenz. Vor allem als wir neben unseren eigentlichen Aufgaben wie Geiselnahmen, Entführungen und Erpressungen zunehmend auch bei der Festnahme von Schwerverbrechern eingesetzt wurden. Bis dahin das ureigene Revier der Sonderfahnder, die dergleichen zur Not im Alleingang oder im Zweierteam absolvierten, während das SEK kaum unter Gruppenstärke vorging.
Rivalitäten und Reibereien waren also vorprogrammiert, und falsch koordinierte Einsätze blieben nicht aus. Ich kann mich an einen Fall erinnern, bei dem ein Serientankstellenräuber, der zudem einen Menschen niedergeschossen hatte, monatelang von uns gejagt wurde. Wir observierten Tankstellen rund um die Uhr in der Hoffnung, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein. Und dann war alles umsonst gewesen. So mir nichts, dir nichts und ohne uns zu informieren, hatte die Sonderfahndung zugeschlagen und den Täter in seiner Wohnung festgenommen. » Hauptsache gefasst« war damals für uns nur ein schwacher Trost.
Rivalitätsdenken blieb also eine Weile die vorherrschende Grundstimmung zwischen den beiden Einheiten. Bis man merkte, dass es auch anders ging und man sich optimal ergänzen konnte. Einen solchen Einsatz, an
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