Zugriff
Vorweihnachtszeit herrschte dort ein wahnsinniges Gedränge. Für Aufklärungszwecke und Observierungen ein ideales Umfeld, für Zugriffsaktionen dagegen die reine Katastrophe. Wir schauten uns noch einmal das Fahndungsfoto an, falls B. einen Tag früher auftauchte und eine Inspektion des vereinbarten Treffpunkts vornahm.
Neben dem eigentlichen Haupteingang der Gaststätte ging es zunächst einmal in eine Art Bierschwemme, in der zwar Tische standen, wo man sich sein Bier aber selbst holen musste. Keine bayerische Touristenidylle, sondern damals eher ein Aufenthaltsort für Alkoholiker, Schlägertypen und schräge Vögel, die hier die Zeit totschlugen und zwischendurch die Spielautomaten an den Wänden fütterten. Hier achtete niemand auf den anderen, hier gab es nicht einmal Bedienungen, die womöglich neugierig die Ohren spitzten.
Der ideale Ort also für ein kriminelles Rendezvous. Zu eben diesem Schluss kamen wir übereinstimmend, als wir später auf der Dienststelle unsere Eindrücke austauschten. Wir waren fest davon überzeugt, dass einzig und allein die Schwemme als Ganoventreff geeignet war. Das Restaurant konnte man von vornherein ausschließen, und in der Bierhalle, in der von vormittags bis spätabends eine Blaskapelle bayerische Musik spielte, fielen Personen womöglich auf, die anderes im Sinn hatten als Bier und Gaudi.
Auf dieser Vermutung bauten wir unseren Einsatzplan auf. Ich selbst wollte verdeckt mit fünf Mann beim Eingang eines gegenüberliegenden Hotels Position beziehen, während vier weitere SEK -Leute mit einer Kollegin vom Mobilen Einsatzkommando, die zur Tarnung mitkam, wie fröhliche Zecher einen Tisch in der Bierhalle besetzen sollten. Zur Sicherheit, falls Andreas B. zuerst dort auftauchte. Zwei weitere Männer unserer Einheit würden in einem zivilen Fahrzeug die Funkverbindung zwischen der Einsatzleitung, die beim zuständigen Polizeipräsidium lag, der Sonderfahndung und dem SEK koordinieren. Dann gingen wir erst einmal alle in den Feierabend. Am späten Abend teilte mir der Leiter der Sonderfahndung noch telefonisch mit, dass dem V-Mann zufolge das Treffen gegen Mittag stattfinden werde. Somit hatten wir ausreichend Zeit, alles bei der morgendlichen Lagebesprechung ein letztes Mal gründlich zu diskutieren.
Am nächsten Tag war die Anspannung bei jedem Einzelnen spürbar gestiegen, ließ sich fast mit den Händen greifen. Nicht unnormal kurz vor einem Zugriff, doch in diesem Fall wussten alle Beteiligten nur zu gut, dass der Einsatz ebenso schwierig wie gefährlich würde. Noch einmal trafen wir uns mit den Kollegen der Sonderfahndung, gingen unsere Strategien durch und stellten fest, dass wir mittlerweile ein gutes Team bildeten. Eine wichtige Rolle war dem V-Mann zugedacht, der für uns allerdings verborgen blieb. Ihm wurde ein Kontaktmann der Sonderfahndung zugeteilt, der die Verbindung mit ihm halten sollte und von ihm verständigt wurde, sobald B. auftauchte. Das enthob uns der Schwierigkeit, den Gesuchten anhand des Fahndungsfotos identifizieren zu müssen. Der Kollege von der Sonderfahndung würde sogleich zu uns Funkverbindung aufnehmen und uns unauffällig an B. heranführen. So weit die Theorie.
Schon gegen zehn war ich mit meinen Leuten vor Ort, wobei wir uns, wie besprochen, zunächst beim Hotel gegenüber unauffällig aufstellten. Stundenlanges Herumlungern vorm Eingang zur Schwemme wäre zu verräterisch gewesen. Zumal am Morgen, wenn noch nicht so viele Leute herumliefen. Die Gruppe, die in der Bierhalle warten sollte, hatte es da leichter. Oder auch nicht, denn sie sah sich mit einem ganz besonderen Problem konfrontiert. Wenn man hierherkam, trank man Bier und nicht etwa Wasser oder Limo. Aber Bier ging nicht. Schließlich wusste niemand, ob aus den bierseligen Zechern nicht plötzlich Polizisten im Einsatz werden mussten. Es half alles nichts: Eine Bedienung wurde ins Vertrauen gezogen, wobei die Kollegen sich als Drogenfahnder ausgaben und daraufhin Alkoholfreies aus Maßkrügen erhielten. Die SEK -Männer und die MEK -Dame bemühten sich jedoch auch ohne A lk ohol nach Kräften um lärmende Fröhlichkeit, und anscheinend schöpfte niemand Verdacht.
Währenddessen besprach ich mit meinem Zugriffsteam ein letztes Mal Details der geplanten Festnahme. Drei Mann würden sich B. vornehmen, wobei jeder sich auf einen bestimmten Bereich seines Körpers konzentrierte. Einer auf den Kopf, einer auf die Beine und einer auf die Schusshand, das vermutlich größte
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