Zugriff
dessen Planung ich maßgeblich beteiligt war, erlebte ich Mitte der Achtzigerjahre. Ein Paradebeispiel für perfekte Abstimmung, Arbeitsteilung und Kooperation, fast wie aus dem Lehrbuch.
Es war kurz vor Weihnachten. Andreas B., ein 35-jähriger Österreicher, befand sich auf der Flucht. Er hatte in Innsbruck eine Bank überfallen, und beim Verlassen des Gebäudes war es zu einem Schusswechsel mit der Polizei gekommen, bei dem zwei Beamte tödliche Verletzungen erlitten. Seitdem lief die Fahndung, jedoch bislang ohne greifbaren Erfolg. Nun aber hatten die österreichischen Kollegen den Hinweis erhalten, der gesuchte Gewaltverbrecher könnte sich nach München abgesetzt haben, wo er sich früher angeblich im Rotlicht- und im Spielermilieu herumgetrieben hatte. Ein Fall für die Sonderfahndung also, die im Gegensatz zum SEK darin geschult wurde, Täter aufzuspüren und ein Netz von Informanten in der kriminellen Szene zu unterhalten und dieses effektiv zu nutzen.
Bloß wurde den Kollegen, nachdem sie sich die Unterlagen aus Innsbruck angeschaut und sich mit dem Täterprofil vertraut gemacht hatten, die Sache zu heiß, um sie auf eigene Faust durchzuziehen. B. war bei dem Banküberfall nicht nur mit unglaublicher Kaltblütigkeit vorgegangen, sondern trug überdies laut Erkenntnissen der Österreicher grundsätzlich eine Pistole in der rechten Hosentasche, die er ständig mit einer Hand umfasst hielt. Selbst auf der Toilette.
Weil die Festnahme also ausgesprochen gefährlich zu werden drohte, wurden wir ins Boot geholt. Gemeinsam mit der Sonderfahndung sollten wir einen Zugriffsplan entwickeln, falls B. tatsächlich in München auftauchte. Dabei wurde bereits im Vorfeld Einigkeit über Vorgehensweise und Zuständigkeiten erzielt. Problemlos und ganz logisch. Jeder übernahm das, was er am besten konnte. Die Sonderfahndung würde den Verbrecher aufspüren, das SEK ihn schnappen und festnehmen.
Kein leichtes Unterfangen, wie alle Beteiligten wussten. Das fing schon damit an, dass nur miserable Fahndungsfotos zur Verfügung standen, die eine eindeutige Identifizierung kaum erlaubten. Und was den Zugriff betraf, so konnte der nur ohne Pannen oder gar weitere Opfer gelingen, wenn B. blitzschnell, noch bevor er uns entdeckte, handlungs- und bewegungsunfähig gemacht wurde. Eine im wahrsten Sinne des Wortes überlebenswichtige Voraussetzung. Erschwerend kam hinzu, dass wir keine Ahnung hatten, wo er sich in München aufhalten oder verstecken würde. Der Gedanke, ihn in einem Wohnhaus oder auf einer belebten Straße stellen zu müssen, war der reinste Albtraum für uns.
Stundenlang saßen wir am Besprechungstisch im Polizeipräsidium und bastelten an dem geplanten Einsatzablauf. Normalerweise wurden für solche Einsätze sechs bis acht Leute abgestellt, an ihrer Spitze ein Gruppenführer im Rang eines Polizeihauptkommissars, doch weil in diesem besonderen Fall zwei unterschiedliche Dienststellen Hand in Hand arbeiten mussten, klinkte ich mich als damaliger Einheitsführer in die Einsatzvorbereitungen mit ein.
Wir kamen einen Schritt weiter, als die Sonderfahndung einen V-Mann ins Spiel brachte, der sich in der Szene umhören sollte. Es dauerte nicht lange, bis er erste Informationen aus sogenannten gesicherten Kreisen lieferte. Am nächsten Tag würde, hieß es, in einer großen Brauereigaststätte ein Treffen zwischen B. und einem Serben stattfinden. Offenbar wollte sich der flüchtige Doppelmörder gefälschte Ausweise beschaffen. Dafür nämlich sei der Serbe als Anlaufstelle bekannt, wusste der V-Mann. Aber nicht mit uns.
Jetzt war Eile angesagt. Und das vor Weihnachten, denn zu dieser Zeit war unsere Dienststelle nicht sonderlich gut besetzt. Ich trommelte alle zusammen, die für den Einsatz infrage kamen, und veranstaltete eine Art Ortstermin, denn die Großgaststätte im Innenstadtbereich war riesig und ziemlich unübersichtlich. Außerdem gab es keine Informationen über den genauen Treffpunkt. Das war beinahe, als würde man sich in einem Einkaufszentrum verabreden. Deshalb mussten wir uns selbst ein Bild von dem Gebäudekomplex machen, um zu einer relativ zuverlässigen Einschätzung zu kommen.
Mit mir waren wir 13 Kräfte, als wir am Nachmittag in die Stadt fuhren. Ich hatte Order gegeben, dass jeder unabhängig vom anderen auf eigene Faust seine Runden durch das Gewirr der verschiedenen Restaurants und Wirtsstuben sowie der Durchgänge drehen sollte, um sich alles gut einzuprägen. Gerade in der
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