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Titel: Zugriff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Pallay
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psychisch gestörter Typ, wie mir am Telefon erklärt wurde. Erst war eine Polizeistreife gerufen worden, die wiederum die zuständige Einsatzzentrale im Münchner Osten informierte, und jetzt waren wir dran.
    Waren wir? Beim SEK rechnete man jederzeit mit Geiselnahmen, Verfolgungsjagden, Zugriffen bei spektakulären Aktionen, aber doch nicht damit, dass man ein Schwergewicht aus einem Schwimmbecken fischen sollte. » Was? Wieso?«, fragte ich dann auch perplex, woraufhin mir der Kollege am anderen Ende erklärte: » Weißt du, der Mann hat offenbar einen Dachschaden, das ist das Schlimme daran. Zudem sind wegen der Pfingstferien mehr Kinder und Familien als sonst im Bad. Und da paddelt dieses verrückte Walross im Wasser herum, als gäbe es nichts Schöneres auf der Welt, schlägt mit seinen massigen Armen um sich, fuchtelt wild herum. In einem Satz: Er macht allen Angst, und die Bademeister sind hilflos.«
    Ich erfuhr noch, dass er ein Kind am Kopf getroffen und ein zehnjähriges Mädchen erst unsittlich berührt und dann untergetaucht haben soll. Zwischenzeitlich hätten die Badegäste das Schwimmbecken verlassen und seien geflüchtet. Nur der Koloss befinde sich nach wie vor im Wasser und lasse sich für Geld und gute Worte nicht zum Herauskommen bewegen. Und selbst wenn, fügte der Kollege hinzu, befürchteten die Bademeister, dass er draußen die Leute weiter belästigen könnte. » Ihr habt doch sicher Möglichkeiten, die Sache zu beenden – schließlich seid ihr ja eine Spezialeinheit«, meinte er abschließend.
    Ich musste lachen, sagte aber unsere Hilfe zu. Nur hielten sich gerade alle Leute, die Dienst hatten, 40 Kilometer entfernt auf dem Schießplatz Rothschwaige hinter Fürstenfeldbruck auf. Dort hatte das SEK einen Parcours angelegt, auf dem Hindernis- und Ausdauerläufe mit diversen Schießübungen kombiniert werden. Damit man im Ernstfall sicher zielen und treffen kann, obwohl man ausgepowert ist. Ich war damals Ausbildungsleiter und teilte solche Übungen ein, musste aber nicht unbedingt anwesend sein.
    Obwohl natürlich sofort Alarm gegeben wurde, blieb das Problem der Entfernung. Von Rothschwaige aus musste man durch die ganze Stadt oder außen herum ans entgegengesetzte Ende Münchens, in den Osten nämlich. Deshalb beschloss ich vorauszufahren, damit wenigstens einer von uns vor Ort war, falls der Mann aus dem Becken kletterte. Soweit ich verstanden hatte, machte er einen verwirrten und unberechenbaren Eindruck – da musste man vorsichtig sein und durfte die Sache keinesfalls auf die leichte Schulter nehmen. Nicht dass wir es am Ende mit einer Geiselnahme zu tun bekamen.
    Was genau ich dort tun sollte und konnte, das wusste ich allerdings in diesem Moment noch nicht. Zum Glück war Martin, mein enger Mitarbeiter in der Aus- und Fortbildung, ebenfalls auf der Dienststelle geblieben und würde mich begleiten. » Komm, beeil dich«, sagte ich und eilte voraus. Martin, ein erfahrener Bergsteiger und Kletterausbilder innerhalb des Kommandos, schnappte sich im Gehen schnell ein Bergseil. » Man weiß nie, wofür es zu gebrauchen ist.«
    Zehn Minuten später trafen wir nach einer rasanten Fahrt beim Schwimmbad ein, wo uns bereits zwei uniformierte Streifenpolizisten erwarteten und uns zum Becken führten, wo der Dicke inzwischen mutterseelenallein und beinahe zwanghaft seine Runden drehte. Wir beobachteten die Szene, ohne selbst gesehen zu werden. Unser » Täter« schwamm gelegentlich an den Beckenrand, plätscherte dort herum und brabbelte Unverständliches vor sich hin wie ein kleines Kind. Was außerhalb des Wassers geschah, schien ihn nicht zu interessieren. Worüber wir recht froh waren, denn ohne Unterstützung der Gruppe würden wir beide kaum etwas ausrichten. Wie sollten Martin und ich diesen Riesenkerl fixieren und unter Kontrolle bringen? Wenn der anfing auszuschlagen, landeten wir unweigerlich im Wasser und damit in seiner Reichweite. Andererseits würde spätestens in dem Augenblick Handlungsbedarf entstehen, sobald er aus dem Wasser stieg und zu den Umkleidekabinen ging. Das mussten wir unter allen Umständen verhindern.
    » Wo ist die Einsatzgruppe?«, fragte ich nach und erfuhr per Funk, dass sie den Schießplatz zwar verlassen hatte, aber etwa eine Dreiviertelstunde bis zum Schwimmbad brauchen würde. Martin schien mir gar nicht zuzuhören, als ich ihm den Stand der Dinge mitteilte – er war mit seinen Gedanken ganz woanders. Plötzlich sagte er: » Ich hab’s! Ich hab die einzig

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