Zugriff
Problem und demzufolge meines. Die verbleibenden drei Kollegen hielten sich bereit, uns sofort nach der Festnahme vom Publikum abzuschirmen. In diesem Moment würden sie sich zu erkennen geben und eine Armbinde mit der Aufschrift » Polizei« über den linken Arm ziehen. Ansonsten agierten wir in ziviler Kleidung mit einer leichten Schussweste unter den Jacken oder Pullovern, die in diesem Fall ausreichte und angenehmer zu tragen war als das schwere Modell. Mit Gewehrbeschuss mussten wir zwar nicht rechnen, aber dennoch waren Verletzungen trotz Schutzweste immer möglich, weil die Kugeln beim Aufprall ein Stück in den Körper eindringen konnten. Ein Restrisiko, an das wir lieber nicht dachten.
Insgesamt fühlten wir uns gut vorbereitet und für alle Fälle gerüstet. Als Punkt elf die Blasmusik in der Bierhalle zu spielen begann, herrschte bei uns noch Funkstille. Kein Zeichen vom gesuchten Mörder, keine Erkenntnisse über den Verbleib des Informanten. Kurz darauf allerdings sichtete ihn der Kontaktmann der Sonderfahndung und bekam sogleich » Objekt am Kiosk« signalisiert. Jetzt schrillten sämtliche Alarmsirenen, jetzt schlug der Puls Purzelbäume, klopfte das Herz bis zum Hals – jetzt musste es schnell gehen. Auf das Eintreffen von B.s Rendezvouspartner warteten wir erst gar nicht, um es nicht womöglich mit zwei Gegnern zu tun zu bekommen.
Wir wechselten die Straßenseite und näherten uns entlang der Hauswand dem Eingang zur Schwemme. Über Funk hörte ich die nächste Durchsage: » Unser Mann verlässt Kiosk.« Inzwischen war ich mit meinen Leuten fast da, ein gewaltiger Lärmpegel und ein penetranter Biergestank schlugen uns bereits entgegen. » Los, nichts wie rein«, flüsterte ich in das Funkgerät. Hoffentlich war B. noch da, und hoffentlich erkannte ich ihn, schoss es mir durch den Kopf. Ansonsten war ich mittlerweile ganz ruhig. Alle Angst und anfängliche Nervosität schienen wie weggeblasen. In einer solchen Situation konzentrierte ich mich so auf meine Aufgabe, dass für andere Gedanken keine Zeit blieb.
Plötzlich entdeckte ich im Gewühl unseren Kontaktmann. Er kam uns entgegen. Was nun? Was hatte das zu bedeuten? Aha, kapierte ich, er wollte mir etwas zeigen, denn mit seinem Blick wies er mich im Vorbeigehen auf eine Person hin und deutete, sobald er vorbei war, von hinten darauf. Da war er also, unser gesuchter Doppelmörder.
Eine rasche Kopfbewegung in seine Richtung, mehr brauchte es nicht, und meine Leute begriffen, dass wir B. vor uns hatten. Sogleich formierten sie sich links und rechts von mir, und wir holten auf. Als wir heran waren, stieß ich einen markerschütternden Schrei aus, griff gleichzeitig B. an die rechte Hosentasche und hielt seine Hand fest, bevor er die Pistole herausziehen konnte. In dem Moment stürzten sich die beiden anderen auf Kopf und Beine. Zu viert gingen wir zu Boden. Bislang lief alles nach Plan. Leo zur Linken setzte den Würgegriff an, und Sören zur Rechten umklammerte die Beine, während ich weiter krampfhaft die Hand in der Hosentasche umschloss. Kein Zweifel, dass er eine Pistole festhielt.
Um keinen Preis durfte ich lockerlassen, drehte aber vorsichtshalber B.s Faust gegen seinen eigenen Körper. » Jetzt kannst abdrücken, dann erschießt du dich selbst, direkt in den Bauch«, schrie ich B. an. Er antwortete nicht, denn Leos Würgegriff nahm ihm die Luft zum Atmen. Schließlich spürte ich, wie die Kraft in seinen Fingern nachließ, und zog erst seine Hand, dann die Waffe aus der Hosentasche.
Er leistete so gut wie keinen Widerstand. Wir hatten ihn überwältigen können, ohne dass ein Schuss gefallen war. » Würgegriff lockern!«, schrie ich und gab gleichzeitig Order, Andreas B. an Händen und Beinen zu fesseln. Währenddessen hatten die Kollegen, die nicht unmittelbar am Zugriff beteiligt waren, alle Hände voll zu tun, uns die Passanten vom Hals zu halten, die neugierig herumstanden und sich erst entfernten, als sie die Armbinden mit der Aufschrift » Polizei« sahen.
Was blieb, war reine Routine. Gerade hatten wir B. in eine Nische gezogen, der Einsatzleitung über Funk den erfolgreichen Zugriff gemeldet und warteten eigentlich bloß noch auf ein Fahrzeug für den Abtransport. Da geschah es. Der Mann, der mitleidslos zwei Polizisten erschossen hatte, war mit einem Mal gar nicht mehr kaltblütig. Er stand offenbar so unter Schock, dass er sich in die Hosen machte. Es stank erbärmlich, und die ersten Spuren breiteten sich schon am Boden
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