Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zugriff

Zugriff

Titel: Zugriff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Pallay
Vom Netzwerk:
aus. Eigentlich wäre eine Grundreinigung mit komplettem Kleiderwechsel angesagt gewesen, doch die war hier nicht möglich. Ihn so in aller Öffentlichkeit abzuführen, das wollten wir wiederum nicht. Schließlich hatte selbst ein Mörder Anspruch auf Wahrung seiner Menschenwürde. Zwei Wolldecken, die einer meiner Männer irgendwo auftrieb, mussten reichen, um ihm die größte Peinlichkeit zu ersparen. In diese eingewickelt, jedoch nach wie vor übel riechend, trat er seinen Weg in die Haft an. Dass der für den Transport benutzte Wagen anschließend einer gründlichen Reinigung unterzogen werden musste, sei nur am Rande erwähnt.
    Trotz dieser eher kuriosen Einlage war es ein perfekter Einsatz! Wie aus dem Lehrbuch. Was mich besonders freute, war die gute Zusammenarbeit mit der Sonderfahndung. Auf der Dienststelle tranken wir gemeinsam noch ein Bier, das vor allem unsere Pseudotouristen, die in der Bierhalle nur so getan hatten, als ob, sehr genossen.

Geiselnahmen waren und sind immer ein heikles Problem, selbst für die Leute vom SEK , die speziell für solche Einsätze ausgebildet werden. Obwohl ich persönlich während meiner langen Zeit bei dieser Spezialeinheit zum Glück nicht den Tod einer einzigen Geisel erleben musste, war die Furcht doch allgegenwärtig, es könnte passieren.
    So auch an jenem Tag im Mai 1986, als auf der SEK -Dienststelle folgende Meldung einging. Eine Frau hatte die Notrufnummer 110 gewählt und aufgeregt hervorgestoßen: » In unserem Haus bedroht uns eine Geiselnehmerin mit einer Pistole.« Schließlich nannte sie atemlos Name und Adresse. Die Beamten in der Einsatzzentrale glaubten ihr zwar nicht recht, schickten aber trotzdem zwei Streifenbesatzungen dorthin. Während diese noch berieten, was zu tun sei, verließen drei Personen das Haus. Ein Mann und zwei Frauen, von denen die eine die beiden anderen mit einer Schusswaffe zu einem parkenden BMW trieb. Die Polizisten beobachteten ratlos und hilflos die Szene. Sie wussten lediglich, dass es sich um den Arzt Arno Z. und seine Sprechstundenhilfe handelte – so viel hatte die aufgeregte Anruferin mitgeteilt – und dass die Geiselnehmerin ganz offensichtlich irre sei. Was tun?
    Die Streifenpolizisten konnten nur hoffen, dass bald kompetente Hilfe eintraf. Nämlich wir, denn unmittelbar nach Eingang des Notrufs war vorsorglich das SEK alarmiert worden. In Abwesenheit unseres Kommandoführers fiel mir die Aufgabe zu, rasch einen Notzugriffstrupp zusammenzustellen. Acht Männer, die mit mir die Vorhut bildeten. Allerdings wurde automatisch der Rest des Kommandos ebenfalls alarmiert. Das ist bei Geiselnahmen üblich, da rücken alle aus, die nicht gerade im Urlaub oder krank sind.
    Unterwegs nahm ich über Funk Verbindung mit dem zuständigen Außendienstleiter im Präsidium auf, bei dem bis zum Eintreffen des Einsatzleiters alle Fäden zusammenliefen. Der BMW des Arztes war vom Stadtteil Milbertshofen ins nahe Schwabing gefahren. Als wir dort ankamen, herrschte auf den Straßen des ehemaligen Künstlerviertels, wo heute bevorzugt Touristen bummeln, ein unvorstellbares Chaos. Zur Abwechslung mal verursacht durch die Münchner Polizei. Zivilstreifen der zuständigen wie der benachbarten Polizeiinspektionen jagten hinter dem Geiselnehmerfahrzeug her, und über allem zog ein Polizeihubschrauber mit höllischem Lärm seine Runden, um bei der nun beginnenden Verfolgungsjagd ja nicht außen vor zu bleiben. So etwas hatte ich bis zu diesem Moment noch nie erlebt.
    Während das alles völlig wild und unkoordiniert ablief, erreichte uns die Meldung, dass es der jungen Arzthelferin gelungen sei, nahe des Englischen Gartens an einer roten Ampel die Flucht zu ergreifen. Sie war es dann auch, von der wir später Einzelheiten über diese merkwürdige Geiselnahme erfuhren. Vorerst jedoch ging es weiter drunter und drüber. Ständig wurden wir mit neuen Standortmeldungen bombardiert, die es uns unmöglich machten, Anschluss an den BMW zu finden. Wir jagten so ziemlich durch alle Straßen, die es in Schwabing gibt.
    Es war zum Verzweifeln. Wie sollte ich auf diese Weise jemals in Position A gelangen, direkt hinter das Auto nämlich, das wir schließlich zum Anhalten zwingen sollten? Zur Not bei voller Fahrt. Irgendwann kamen wir ihm zwar näher, aber das war’s dann auch. Immer noch jagten unbeirrt Zivilstreifen vor uns her, obwohl ich immer wieder über Funk schrie: » Hier spricht das SEK ! Alle Zivilstreifen wegbleiben!« Nichts half. Ganz

Weitere Kostenlose Bücher