Zugriff
unser Atem hörte sich in der Stille ringsum verräterisch laut an. Oder empfanden wir das nur so wegen der großen Anspannung?
Vom Hubschrauber war mittlerweile nichts mehr zu hören. Jetzt waren wir auf uns allein gestellt und konnten nur hoffen, dass wir nicht zu spät kamen und der Erpresser im wahrsten Sinne des Wortes nicht bereits über alle Berge war mit dem Geld. Dann die Riesenüberraschung: Als wir abgehetzt und schweißgebadet oben auf dem Plateau ankamen, sahen wir als Erstes den Geldsack. Prall und rund und sichtlich noch nicht angerührt. War der Erpresser erst gar nicht aufgetaucht oder versteckte er sich irgendwo?
Wir lauschten angestrengt, spähten in alle Richtungen. Kein Laut zu hören, keine verräterische Bewegung zu entdecken. Es wurde immer dunkler, schließlich hatten wir erst Ende April. » Bloß keine Taschenlampen anschalten«, wies ich meine Leute an. » Wir verteilen uns rund um die Abwurfstelle, verstecken uns im Gebüsch und warten.« Über Funk informierte ich die Einsatzleitung über die momentane Situation und erfuhr im Gegenzug, dass ein paar unserer Männer mit einem Traktor und als Waldarbeiter verkleidet auf Feldwegen im Gelände unterwegs seien , um Ausschau zu halten. Ein beruhigendes Gefühl, nur wo blieb der Erpresser?
Der kam nicht. Bloß der Hundeführer tauchte auf. Er war auf einem Waldweg südwestlich der Abwurfstelle mit seinem Vierbeiner abgesetzt worden. Ich zeigte ihm die Positionen der Zugriffskräfte und wies ihm ebenfalls ein Versteck im dichten Buschwerk zu. Dann hockten wir alle im großen Kreis um den Geldsack herum und warteten. Noch gingen wir davon aus, dass der Ganove sich seine 1,7 Millionen nicht entgehen ließ!
Die Zeit verstrich, ohne dass etwas geschah. Nur fern vom Tal drangen leise Motorengeräusche zu uns herauf. Da unten war offenbar mehr los als hier oben, da sammelten sich gerade unsere Kollegen auf einem Parkplatz und begannen mit Aufklärungsfahrten und Fahrzeugkontrollen. Zivilstreifen der örtlichen Polizeiinspektionen würden außerdem das gesamte Gebiet durchkämmen.
Mittlerweile froren wir erbärmlich, denn die Temperaturen lagen nur knapp über dem Gefrierpunkt. Hinzu kamen Nässe und ein starker Wind. Selbst der Polizeihund verlieh seinem Missfallen über die unwirtlichen Verhältnisse Ausdruck und winselte erbärmlich, wollte sich partout nicht beruhigen lassen. Dem Hundeführer war das sichtlich peinlich, und er entschuldigte das Verhalten seines Vierbeiners immer wieder mit Hinweisen auf seine Jugend und mangelnde Erfahrung. Da konnte man nichts machen. Hoffentlich näherte sich nicht ausgerechnet jetzt der Erpresser und hörte das Jaulen, dachte ich nur.
Viel stärker beschäftigte mich jedoch die Frage, was wir in dieser Situation tun sollten. Meine Leute waren seit fast 18 Stunden im Einsatz, und eine Ablösung erschien unumgänglich. Nicht ganz einfach im Dunkeln, doch es musste irgendwie gehen. Jeder von uns wusste nur zu gut, dass erschöpfte Männer im Ernstfall niemandem nutzten. Die Einsatzleitung gab ihr Okay – wenngleich zögernd, weil während der Austauschphase nur zwei Männer auf dem Plateau sein würden.
Gegen Mitternacht war es dann so weit. Ausgestattet mit Karte, Kompass und Taschenlampe, die wir aber nur im Notfall benutzten, stieg ich mit einem meiner Leute und dem Hundeführer ab. Immer wieder verirrten wir uns oder kamen in der Finsternis vom Weg ab. Nach einer knappen Stunde erreichten wir endlich den vereinbarten Treffpunkt, wo bereits unsere Ablösung wartete. Im Gegensatz zu uns verfügten sie über Kälteschutzbekleidung und hatten Mountainbikes dabei. Ich gab schnell noch ein paar wichtige Instruktionen und Informationen weiter, bevor ich mich mit dem Hundeführer zur nächstgelegenen Bundeswehrkaserne fahren ließ. Dort sanken wir abgekämpft auf quietschende Pritschen.
Unser Kollege Berndi hingegen musste noch einmal nach oben und die drei Neuen hinaufführen, bevor er zum zweiten Mal mit der zurückgelassenen Nachhut abstieg und für ihn der Einsatz ebenfalls vorbei war. Am Berg dagegen ging das lange Warten auf den Erpresser weiter. Und der Kampf gegen die Müdigkeit, die durch erzwungene Untätigkeit doppelt schwer ins Gewicht fiel. Auch unsere Ablösung bekam den Gesuchten nicht zu Gesicht.
Am Morgen sollte eine gründliche Durchkämmung des Geländes um die Abwurfstelle mit zwei Hundertschaften stattfinden, die ich führen würde. Immerhin war ich inzwischen mit dem Gelände
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