Zugriff
gerichtet. Und auf mich. Ich blickte nämlich genau in den Lauf der Waffe. Würde er schießen?
Dann merkte ich, dass er mich gar nicht wahrzunehmen schien, irgendwie weggetreten wirkte. Sonderbar. Stand er womöglich unter Drogen? Jedenfalls war es schwer, seine Reaktionen vorauszusagen. Ganz langsam schob ich meinen Kopf zurück. Mir war total unwohl bei dieser völlig unkalkulierbaren Situation und die Gefahr, dass dieser Verrückte wieder losballerte, sehr real. Auch unsere für solche Fälle geschulten Verhandlungsspezialisten wussten keinen Rat. » Was geht in dem Menschen vor?«, fragte ich sie während der kurzfristig angesetzten Besprechung in der nahen Feuerwehrgarage. » Ist der Mann gefährlich oder suizidgefährdet? Schwebt er möglicherweise in Lebensgefahr wegen Drogenkonsums?« Keiner wusste so recht eine Antwort, und das bedeutete, dass wir zum Handeln gezwungen waren. Nur wie?
Einer brachte einen Polizeihund ins Spiel. Der aber war für einen Fall wie diesen gar nicht ausgebildet. Man bringt den Vierbeinern neben vielen anderen Dingen bei, wie sie einen flüchtenden Täter stellen und festhalten, doch unser Mann lag praktisch reglos in seinem Bett, bot folglich keinen Angriffsgrund. Wir zogen den Hundeführer zurate. Der ahnte Schlimmes. » Ich glaube nicht, dass der Rex für so einen Einsatz geeignet ist«, beugte er vor. » Außerdem erschießt ihn der Typ am Ende noch.«
Nun ja, da mochte er recht haben, bloß sollten wir stattdessen einen unserer Männer ins Feuer schicken? Der Einsatzleiter traf die Entscheidung: » Wir probieren den Zugriff mit Hund.« Ganz vorsichtig und leise brachte ich mit einem meiner Leute den Hundeführer in Position. Wir kontrollierten noch einmal die Situation, indem wir einen Spiegel mit einem langen Griff ins Zimmer hielten. Unverändert lag der Baron mit gezogener Waffe im Bett. Ich nickte dem Hundeführer zu. Der stieß einen lauten Ruf aus, den niemand verstand. Außer seinem Schäferhund, denn der stürmte sogleich in den Raum und sprang aufs Bett. Dann geschah das Unglaubliche: Er verharrte plötzlich und schnupperte an der Revolvermündung, ohne dass etwas geschah. Nach 15 Sekunden war alles vorbei. Der Baron lag wie vorher reglos im Bett, der Hund kehrte zur Freude seines Herrchens wohlbehalten zurück.
Nur wir standen wieder am Anfang, waren der Lösung keinen einzigen Schritt näher gekommen. » Jetzt setzen wir Tränengas ein«, sagte ich zu meinem Chef. » Sobald die Gaspatrone voll wirkt, bekommt der hohe Herr bestimmt Atemnot. Da muss er einfach aus dem Bett springen und nichts wie raus aus dem Zimmer.« Falls nicht, würden ein paar von uns mit Atemschutzmasken und einem großen Stahlschild ins Schlafzimmer gehen und den Mann überwältigen.
» Einverstanden«, meinte mein Chef. » Ich hab ebenfalls an so was gedacht.« Um auf Nummer sicher zu gehen, bereiteten wir mehrere Tränengaspatronen vor. Zwar sollte für einen relativ kleinen Raum eine einzige mehr als genug sein, doch hier war vieles bereits ganz anders gelaufen als erwartet. Wir trauten dem Braten einfach nicht mehr.
Kurz darauf waren wir so weit. Einer zog die Reißleine der ersten Patrone und schmiss sie gezielt neben das Bett. Nicht etwa auf die Bettdecke, denn die könnte sich leicht entzünden. Das Gas strömte aus und füllte in Sekundenschnelle den Raum, stand vor uns wie eine dichte Nebelwand, durch die wir alles im Zimmer nur schemenhaft wahrnahmen. Und der apathische Schläfer? Nichts. Wir sahen weder, dass er sich bewegte, noch hörten wir ihn stöhnen oder heftig atmen, wie es eigentlich normal wäre.
Jetzt wurde es brenzlig. Wir durften unter keinen Umständen riskieren, dass der Mann vor unseren Augen erstickte. Nichts wie rein, befahl ich, und mit wenigen Schritten stürzte sich das Zugriffsteam auf den Baron und begrub seine Waffe unter einem Schild. Einer hielt den Mann fest, ein anderer entriss ihm die Waffe, eine .35 7 Ma gnum mit vollem Magazin, ein weiterer band ihm die Hände. Dann zogen sie ihn aus dem Bett und übergaben ihn dem bereits wartenden Notarzt, der sofort eine Infusion legte. Er atmete angestrengt und schien nichts von dem mitzubekommen, was um ihn herum vorging. Wir hingegen litten ganz gewaltig unter dem Tränengas, das sich im ganzen Haus auszubreiten begann, und waren heilfroh, endlich ins Freie zu kommen.
Später erfuhren wir, dass der Baron tatsächlich unzurechnungsfähig war und in eine psychiatrische Klinik eingewiesen werden musste. Von
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