Zugriff
hohen Schulden und familiären Problemen war die Rede, die er durch Drogenkonsum zu vergessen suchte. Aber genau das hatte ihm dann wohl den Rest gegeben.
So an die 1000 Einsätze dürften es gewesen sei, die ich beim Spezialeinsatzkommando Südbayern erlebte, und die meisten verliefen erfolgreich. Zum Glück. Zwischendurch allerdings gab es immer wieder einige, da schien nichts zusammenzupassen, und man musste sie letztlich als Fehlschlag abhaken. Trotz größter Bemühungen und eines teilweise gigantischen logistischen Aufwands. Dazu gehörte auch eine spektakuläre Aktion, die mit der Jagd auf einen Erpresser zu tun hatte, der seit längerer Zeit die Bahn terrorisierte, sich an Gleisen und Leitungen zu schaffen machte und die Direktion mit immer neuen Geldforderungen sowie dramatisch inszenierten Geldübergaben narrte.
Und einmal erwischte es eben uns. Ich hielt mich gerade mit einem Teil meiner Leute im fränkischen Hammelburg auf, an der Kampftruppenschule der Bundeswehr. Dort trainierten wir Einsätze wie etwa Häuserkampf, Zugriff auf ein fahrendes Auto und Schießen auf große Entfernungen. Eine spannende Geschichte, zumal solche Möglichkeiten in München und Umland nicht geboten wurden. Doch die dreitägigen Kurse erfreuten sich auch aus einem anderen Grund größter Beliebtheit: Hammelburg ist Weingegend und bietet eine beträchtliche Anzahl netter Kneipen, und darunter war nicht eine einzige, die wir nicht kannten. Kein Wunder, denn die meisten Mitglieder des Kommandos kamen über die Jahre regelmäßig hierher, bei mir dürften es etwa 50 Mal gewesen sein. Auf der Heimfahrt schleppten wir in unseren leeren Munitionskisten Vorräte an Bocksbeuteln ab. Von denen hatten wir dann eine ganze Weile was, während die hübschen Mädchen, die in den Kneipen die durchtrainierten Jungs vom SEK anhimmelten, bald nur noch Erinnerungen waren. Zumindest bis zum nächsten Jahr.
Zweifellos zählten die Aufenthalte in dem Städtchen an der Fränkischen Saale zu den Höhepunkten des SEK -Jahres, und zwar über Generationen hinweg. Nicht nur wegen Wein, Weib und Gesang. Hier übten wir zwar für den Ernst des Alltags, aber im Grunde genommen war er weit weg. Und kein Unsinn wurde ausgelassen. Besonders nicht, wenn es um Kameraden ging, die es abends arg übertrieben hatten. Wenn die am Morgen zu spät, völlig übermüdet und recht apathisch zum Appell erschienen, durften sie nicht auf Mitleid hoffen. Im Gegenteil. So manchem Nachtschwärmer wurde klammheimlich – unbemerktes Anschleichen gehörte schließlich zur » Berufsausbildung« beim SEK – an den Reißverschluss am Fußende des Einsatzoveralls eine Tränengaspatrone gebunden, die beim Wegtreten gezündet wurde. Eine Riesengaudi für die Verursacher. Nur das Opfer lachte nicht, hüpfte bloß wie von der Tarantel gestochen herum. Auch wenn ich mich in späteren Jahren, besonders in meiner Zeit als Ausbildungsleiter, natürlich nicht mehr aktiv an solchen Scherzen beteiligte, gönnte ich meinen Jungs die harmlosen Späße von Herzen. Schließlich kam niemand zu Schaden. Heutzutage allerdings würden sie vermutlich disziplinarische Maßnahmen nach sich ziehen. Es waren halt andere Zeiten.
In jenem Jahr, als wir es mit dem Bahnerpresser zu tun bekamen, hielt ich mich gerade auf der Schießbahn auf, als ein Jeep der Bundeswehr mit einem Oberfeldwebel am Steuer vorfuhr. Ich solle sofort bei der Standortkommandantur vorsprechen, hieß es. Auweia, dachte ich. War etwa schon wieder einer meiner Truppe auf dem Kasernengelände mit dem Polizeiwagen zu schnell gefahren oder hatte sich irgendeinen dummen Scherz erlaubt, den die Kollegen vom Militär wie so oft nicht lustig fanden?
Nichts dergleichen. Mein Kommandoführer wollte mich dringend sprechen. Es gab eine brandneue Forderung des Bahnerpressers, der seine Aktivitäten seit Kurzem auf den süddeutschen Raum ausgedehnt hatte. 1,7 Millionen DM verlangte er und drohte damit, bei Nichtzahlung einen Zug entgleisen zu lassen. Die erste Geldübergabe war vor knapp zwei Wochen gescheitert, weil der Hubschrauber wegen schlechten Wetters nicht fliegen konnte, und so kamen wir damals erst gar nicht zum Zug. Um nichts zu riskieren und die Sicherheit der Reisenden nicht zu gefährden, schaltete die Polizei in einer Boulevardzeitung eine Anzeige, der Erpresser möge sich melden. Wegen einer neuen Terminvereinbarung sozusagen.
Das hatte er jetzt offenbar getan. Der Mann hatte allerdings bislang nicht allzu viel mitgeteilt. Nur
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