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Titel: Zugriff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Pallay
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ich noch mit dem Gruppenführer am Tegernsee. Völlig aufgeregt berichtete er, wie es zu der Panne gekommen war.
    In der Nacht hatten unsere Leute unbemerkt ein in der Nähe liegendes Apartment bezogen, wo sie den Zugriff vorbereiteten. Kurz nach fünf war es dann so weit. Als sie mit Gewalt die Tür aufschlugen, richtig lehrbuchmäßig, wie der Gruppenführer erzählte, stand die Frau vorm Spiegel im Badezimmer, drehte ihnen also den Rücken zu. Die Tür war weit geöffnet. Reinhart S. lag im Bett, zugedeckt bis zum Kopf, die Hände ebenfalls unter der Decke. Mit gezogenen Waffen drangen Zugriffskräfte ein, riefen: » Polizei! Keine Bewegung!«, und hielten den flüchtigen Mörder in Schach. Einer sicherte den Ausgang zur Terrasse, ein anderer zog Sybille A. aus dem Bad, und ein dritter riss die Bettdecke weg. Und genau in dem Moment sahen sie die Bescherung. Seelenruhig richtete S. sich auf und zeigte ihnen eine Handgranate, deren Sicherungsstift er festhielt, sagte ganz ruhig: » Nicht schießen, das ist eine Handgranate.« Der Gruppenführer musste in Sekundenschnelle eine Entscheidung treffen und schrie: » Raus, alle raus!« Eine andere Wahl habe er nicht gehabt, meinte er. » Hätten wir auf den Kerl geschossen, wär das Ding explodiert – ich möchte nicht wissen, mit welchen Auswirkungen in dem kleinen Zimmer.«
    Er schwieg eine Weile sichtlich aufgewühlt, bevor er den Rest erzählte. Während er und vier andere zur Zimmertür zurückwichen und die Frau mitzogen, sprang S. aus dem Bett, verstellte Hans bei der Terrassentür den Fluchtweg und behielt ihn als Geisel zurück. Die Handgranate reichte als Argument. Auch um ihm seine Pistole abzunehmen. So weit die Vorgeschichte und die Situation, mit der wir es zu tun haben würden. Ich beruhigte den Gruppenführer und wies ihn an, nur ja nichts zu überstürzen. » Wir sind in einer halben Stunde da, und dann versuchen wir das Beste daraus zu machen.«
    Kaum hatte ich den Telefonhörer aufgelegt, als ein BKA -Mann mein Zimmer betrat. Nicht nur wegen der Geiselnahme, sondern auch, um mir mitzuteilen, dass Helmut S., der Bruder von Reinhart, in der Nacht überraschend festgenommen worden sei. Ein Zusammenhang mit den Ereignissen am Tegernsee bestünde allerdings nicht, meinte er, und so maß ich dieser Information zunächst keinerlei Bedeutung bei. Dass es exakt diese Geschichte war, die bei dem Bruder einen Kurzschluss auslöste, konnte niemand ahnen.
    Sobald wir vollzählig waren, brachen wir mit Blaulicht und Martinshorn auf, um so schnell wie möglich vor Ort zu sein. Wir kamen gut voran, die Straßen waren trotz der Jahreszeit – wir hatten Ende November – schnee- und eisfrei. Während der Fahrt musste ich an Hans denken, der sich in der Gewalt eines Schwerverbrechers befand. Er war nicht bloß ein Kollege, sondern ein guter Freund, und gemeinsam spielten wir in einem kleinen Sportverein Fußball. Außerdem grübelte ich darüber nach, ob S. gewarnt worden war, worauf das Szenario zweifelsfrei hindeutete. Sonst hätte er ja kaum mit einer Handgranate im Bett gelegen und regelrecht auf die Polizei gewartet. Fragen über Fragen, die vorerst nicht geklärt werden konnten.
    Dann kamen wir in Tegernsee an. Der zuständige Polizeidirektor, der den Gesamteinsatz leitete, wartete bereits auf uns. Ich kannte ihn aus seiner Münchner Zeit und hatte ihn als besonnenen Mann in guter Erinnerung. Während die Einsatzkräfte vor Ort sich unwillig auf den Heimweg machten, bezog unser Notzugriffstrupp in der Nähe des Täterapartments Stellung, desgleichen meine Präzisionsschützen. Sie nahmen vom Haupttrakt des Hotels sowie vom Außenbereich aus die Terrasse des Apartments und die Eingangstür zu dem Nebengebäude ins Visier. Der besseren Tarnung wegen brachten sie an einigen Fenstern des Hoteltrakts, aus denen sie schießen würden, zudem einen Sichtschutz an. Das alles völlig unauffällig auf die Reihe zu bringen war gar nicht so einfach. Vor allem nicht, wenn der Gegner ein mit allen Wassern gewaschener Krimineller war. Und dazu gehörte Reinhart S. ohne Zweifel.
    Deshalb wunderten wir uns auch darüber, dass er Hans sein Funkgerät nicht abgenommen hatte. War es ihm egal? Oder war ihm der Knopf im Ohr entgangen? Eher unwahrscheinlich. Jedenfalls konnten wir mit unserem Kollegen Kontakt halten, bemühten uns aber vorsichtshalber um Unauffälligkeit. Vor allem durfte Hans selbst nicht sprechen, und so entwickelten wir folgende Strategie: Für » Ja« sollte er

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