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dass die Geldübergabe am folgenden Samstag stattfinden und ein Hubschrauber in einem niederbayerischen Ort bereitgestellt werden sollte. Mehr wussten wir nicht. Vermutlich handelte es sich um den Bayerischen Wald. Um uns einen ersten Überblick zu verschaffen, unternahmen wir einen Aufklärungsflug über das infrage kommende Gebiet. Verdächtiges fiel uns nicht auf, wohl aber, wie unwegsam und unüberschaubar das Gelände war. Keine tolle Voraussetzung für den bevorstehenden Einsatz. Zunächst konnten wir nichts anderes tun, als vorsorglich alles, was Räder hatte, in den Bayerischen Wald zu beordern: zivile Pkws, Motorräder und Mountainbikes. Wir wollten gerüstet sein, wenn die genaue Abwurfstelle mitgeteilt wurde.
Mit dem Gesamteinsatzleiter arbeiteten wir vom SEK einen Plan aus, von dem wir uns trotz aller Probleme einiges versprachen. Er basierte darauf, dass sich in den für den Geldtransport vorgesehenen Hubschrauber ein paar von unseren Leuten einschmuggelten. Nur durfte der Erpresser den Abflug nicht beobachten. Sobald er die Strategie durchschaute, wäre die Übergabe erneut geplatzt und der Erpresser auf und davon. Um das zu verhindern, verfielen wir auf ein geniales Täuschungsmanöver. Ein Hubschrauber ohne Polizeikennzeichen, der genau der für den Geldtransport vorgesehenen Maschine entsprach, wurde in der Nähe von Regensburg bereitgestellt, an Bord außer mir drei hervorragend ausgebildete Einsatzleute sowie ein Hundeführer samt Vierbeiner. Sobald die Aktion angelaufen war, würden beide Maschinen klammheimlich die Rollen wechseln.
Der Samstag kam, und wir warteten auf den Anruf, der uns die Abwurfstelle verraten würde. Erst kurz nach 19 Uhr meldete sich der Erpresser. Offenbar wollte er sich im Schutz der Dunkelheit mit dem Geld aus dem Staub machen. Eine erneute Komplikation, doch wir blieben bei unserem Plan. Hubschrauber Nummer eins mit dem Lösegeld, das aus 20 Metern Höhe abgeworfen werden sollte, stieg auf, drehte jedoch ab, nachdem er außer Sichtweite war, um Kurs auf Regensburg zu nehmen. In Windeseile luden wir dort das Geld um und starteten Richtung Bayerischer Wald. Zunächst erlebten wir hektische Minuten, weil wir das angegebene Abwurfgebiet auf unserer topografischen Karte nicht finden konnten. Endlich entdeckten wir das Areal in unwegsamer Bergregion. In dieser Wildnis einen geeigneten Landeplatz oder zumindest eine Lichtung zu finden, wo wir vor dem Geldabwurf abgesetzt werden konnten, würde gar nicht so einfach sein. Nah genug, um den Anschluss zum Erpresser nicht zu verlieren, und weit genug entfernt, um von der Abwurfstelle aus nicht gesehen zu werden.
Viel Zeit blieb uns nicht. Zum Glück entdeckte unser Pilot bald eine kleine Waldlichtung etwa 150 Meter unterhalb der Abwurfstelle, die mit niedrigem Strauchwerk durchsetzt war. » Schnell, schnell«, sagte ich zu meinen Leuten. » Wir müssen abgleiten, denn eine Landung ist hier nicht möglich.« Schon kletterten die hinter mir sitzenden Männer auf die Kufen des Hubschraubers, warfen das Tau nach unten und glitten aus circa zehn Metern Höhe zu Boden. Der Hundeführer blieb an Bord. Als Letzter rutschte ich fast ungebremst nach unten und schlug unsanft auf, verstauchte mir den rechten Fußknöchel und trug zudem hässliche Schürfwunden an den Fingerspitzen davon. Ich hatte vergessen, meine Lederhandschuhe beim Abgleiten anzuziehen. Warum? Ich musste sie zuvor ausziehen, weil sie mich beim Blättern der Landkarte störten. Wie man sieht, war selbst ein erfahrener Ausbilder nicht gegen Nachlässigkeiten gefeit. Ich schüttelte den Kopf über mich selbst, doch wie sehr Hände und Fuß schmerzten, das merkte ich erst später.
Sobald ich nach oben signalisierte, dass alle unten waren, wurden im Hubschrauber die Taue ausgeklinkt, und die Maschine gewann wieder an Höhe, verschwand bald aus unserer Sicht. Die Aktion dauerte höchstens 15 Sekunden. Wir befreiten uns von den Gurten und legten alles, was wir nicht mehr brauchten, auf einem Haufen zusammen. » Los geht’s«, sagte ich zu meinen Leuten. » Wir müssen möglichst schnell nach oben zur Abwurfstelle.« Dann humpelte ich mit meinem lädierten Fuß tapfer voran.
Wir bemühten uns so wenig Geräusche wie möglich zu machen. Schließlich hatten wir keine Ahnung, ob der Erpresser sich nicht in der Nähe aufhielt. Aber trotz allen Bemühens und häufigen Trainings im lautlosen Anschleichen knackste jeder kleine Ast unter den Stiefeln, raschelte das Laub, und selbst
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