Zugriff
wir uns an die Planung. Schon liefen die Telefondrähte heiß: Absprachen wurden getroffen und Weisungen erteilt. Vor allem baten wir darum, dass sich die örtliche Polizei zurückhielt und nicht auf eigene Faust handelte. Und sich auf keinen Fall der Hütte näherte. Wir gingen nämlich ursprünglich davon aus, dass sich die Täter nach wie vor in der Nähe oder gar im Haus aufhalten könnten. Und deshalb wollten wir als Erstes dorthin. » Es gibt nur eine Möglichkeit«, meinte ich. » Wir lassen uns vom Hubschrauber weiter oben absetzen und nähern uns dann vorsichtig der Hütte.«
Allerdings mussten wir, um nicht hoffnungslos zu spät zu kommen, einen sehr ungewöhnlichen Transport in Kauf nehmen. Zu sechst steuerten wir den Polizeihubschrauber an, der neben Pilot und Bordwart Platz für zwei Passagiere bot. Es half alles nichts: Für vier von uns, einschließlich meiner Person, blieben nur die Kufen, wo wir uns an der Abseilvorrichtung festmachten. Eine Gewöhnungssache – und trotzdem gewöhnungsbedürftig, selbst wenn man so etwas hundertmal trainiert hatte.
Mit einer Geschwindigkeit von etwa 100 Stundenkilometern flogen wir Richtung Chiemgauer Alpen und erreichten nach einer knappen Stunde unser Ziel. Weil eine Landung in dem steilen, felsigen Gelände oberhalb der Hütte nicht möglich war, sprangen wir etwa zwei Meter über dem Boden ab. Für die Schönheit der Berge hatten wir keinen Blick. Schwer bewaffnet und in voller Schutzausrüstung tasteten wir uns langsam nach unten, sahen schon bald das Hüttendach.
» Vorsicht!«, gab ich über Funk durch. » Auf der Ost- und Westseite sichert jeweils ein Mann. Zugriffsteam arbeitet sich Richtung Haupteingang vor.« Ringsum Totenstille und kaum ein Luftzug zu spüren. Wie Katzen schlichen wir um die Hausecke, stiegen ein paar Stufen hoch und standen vor dem Fenster zur Schenke. Ein schrecklicher Anblick.
Der Hüttenwirt, ein kräftiger Mann, lag auf dem Rücken in einer großen Blutlache, die bereits angetrocknet war. In der rechten Hand hielt er den abgebrochenen Fuß eines Weißbierglases. Am Kopf ein Einschussloch. Seine Frau entdeckten wir im Durchgang zur Küche. Vermutlich von einer Kugel im Halsbereich getroffen und verblutet. Wände und Möbelstücke in dem kleinen Raum waren mit Blutspritzern übersät. Im Bruchteil von Sekunden speicherten wir all diese Eindrücke ab, denn aufhalten durften wir uns damit nicht. Schließlich bestand unsere vorrangige Aufgabe darin, die Täter zu fassen. Nicht ausgeschlossen, dass sie sich in der Hütte versteckten.
Vorsichtig pirschten wir uns an den Eingang heran. Ich gab dem Ecki einen Wink, der nahm Anlauf, stürzte sich mit einer kleinen Ramme gegen das Holz – und flog beinahe in die Hütte hinein. Die Tür war nämlich nicht abgesperrt, sondern klemmte nur. In der Schenke sahen wir das Plakat mit den Phantombildern, das eigentlich als Warnung gedacht war. Den Wirtsleuten war es zum Verhängnis geworden. Offenbar hatten sie ihre letzten Gäste nicht nur erkannt, sondern sich auch zur Wehr gesetzt. Hatte der Wirt vielleicht gedacht, er würde mit ihnen fertig?
Ich konnte mich auch hier nicht aufhalten, musste mich ganz auf das vorgeschriebene Prozedere konzentrieren. Zwei sicherten, zwei drangen in die anderen Räume im Erdgeschoss vor, machten Meldung: » Raum frei!« Dann das Gleiche im ersten Stock, wobei wir mit bangem Herzen nach oben stiegen. Falls Wanderer hier übernachtet hatten, was würden wir dann finden? Noch mehr Tote? Bei dem Gedanken lief es mir kalt den Rücken herunter.
Zumindest diese Befürchtung bewahrheitete sich nicht. Die Schlafräume waren leer, die Bettdecken ordentlich zusammengelegt. Nichts deutete darauf hin, dass sich hier kürzlich jemand aufgehalten hatte. Blieb noch der Keller. Vorsichtig stiegen wir durch die Falltür nach unten, entdeckten jedoch nichts Ungewöhnliches. Desgleichen draußen nicht. Über Funk gab ich » grünes Licht«, dass die Leute vom Erkennungsdienst mit einem Polizeihubschrauber heraufgebracht werden konnten, um sich den Tatort genau vorzunehmen und nach Spuren zu suchen.
Für uns war der Einsatz allerdings noch lange nicht vorbei. Wir hielten uns für Spezialaufgaben bei der groß angelegten Fahndungsaktion bereit, an der außerdem unzählige Polizeistreifen aus der ganzen Gegend sowie mehrere Einsatzzüge teilnahmen. Radio- und Fernsehanstalten unterstützten die Suche nach den Mördern, baten landesweit die Bevölkerung um Mithilfe. Unzählige
Weitere Kostenlose Bücher