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Bewohner der umliegenden Gemeinden durchkämmten mit Mistgabeln die Wälder. Eigentlich ein risikoreiches Unternehmen, von dem sich die aufgebrachten Menschen dennoch nicht abbringen ließen.
Dann gingen Hinweise von diversen Bergwanderern ein, die Verdächtiges bemerkt haben wollten, und immer war von einer bestimmten Hütte die Rede. Also wurden wir mit dem Hubschrauber nach oben verfrachtet, landeten direkt vor dem kleinen Gebäude. Zur großen Verwunderung der Gäste, die nicht schlecht staunten, als sie vier Männer mit Maschinenpistolen im Anschlag auf den Kufen stehen sahen. Aber viel mehr passierte auch nicht. Nachdem wir noch wirkungsvoll in die Gaststube eingedrungen waren, musste ich über Funk » Fehlalarm« melden.
Es sollte nicht der letzte sein. Von einem Parkplatz im Tal wurde ein verdächtiges Fahrzeug gemeldet, und wir sollten hin. Ein kurzer Blick auf die Alpenvereinskarte und los ging’s. Wenige Minuten später landeten wir und konnten erneut nichts Auffälliges feststellen. Langsam kam es uns so vor, als sei die wachsende Verunsicherung in der Bevölkerung für all diese Falschmeldungen verantwortlich. Nun ja, zwei Mörder, die frei in der Gegend herumliefen – das war auch nicht sonderlich beruhigend.
Für uns allerdings eine lästige Geschichte, denn sobald jemand etwas meldete, mussten wir hin. Und so flogen wir stundenlang in der Gegend herum, mit klammen Fingern vom Festhalten, beobachteten Wandergruppen, landeten hier und da, um Leute zu befragen. Einen heißen Tipp bekamen wir nicht. Irgendwann schien die Sache sinnlos, und unser Einsatz wurde offiziell für beendet erklärt. Auch das gehörte bisweilen zum Alltag beim SEK , dass ein immenser Aufwand betrieben wurde, ohne dass etwas dabei herauskam. Frustrierend, aber eine Tatsache.
Die Spur der Täter fand sich erst viel später wieder. Sie führte über Österreich nach Serbien, wo die beiden Jugendlichen vor einiger Zeit aus einer Erziehungsanstalt ausgebrochen waren und wohin sie nun nach den in Bayern verübten Morden und Überfällen zurückkehrten. Eine alte Dame, die im Rundfunk den Fahndungsaufruf gehört hatte, gab den entscheidenden Hinweis. Ihr waren im Zug nach Wien zwei Jugendliche in schmutziger Kleidung aufgefallen, auf die die Beschreibung passte. Zwar gelang es dem Duo noch einmal, der Festnahme zu entgehen, weil die Frau nicht gleich Alarm schlug, doch mithilfe von Interpol konnte ihre Spur verfolgt werden. In ihrer Heimat verhaftet und vor Gericht gestellt, wurde der 16-jährige Doric V. zu acht Jahren Gefängnis verurteilt, der 18-jährige Krajan Z. musste sechs Jahre länger hinter Gitter. Eine Auslieferung an ein deutsches Gericht war mangels völkerrechtlich bindender Abkommen nicht möglich.
Trotzdem ließ sich einigermaßen rekonstruieren, was in jener Nacht in der Hütte geschah. Die beiden mehrfach vorbestraften Jugendlichen, die sich illegal in Bayern aufhielten, » verdienten« sich ihren Lebensunterhalt durch Einbrüche, bei denen sie neben Bargeld so ziemlich alles stahlen, was sie brauchten. Woher sie die Waffe hatten, gaben sie jedoch nicht preis. In dem hoch gelegenen Berghaus erhofften sie sich reiche Beute, doch der Wirt erkannte sie wohl anhand des Plakats und stellte sie zur Rede. Es kam zu Handgreiflichkeiten, in deren Verlauf der ältere der beiden Jungs die tödlichen Schüsse abgab. Daraufhin machten sie sich schleunigst aus dem Staub.
Im Frühling des darauffolgenden Jahres, als ich mal wieder in den Chiemgauer Bergen kletterte, stieg ich genau jenen Weg nach oben, den die beiden jugendlichen Mörder in jener verhängnisvollen Nacht in umgekehrter Richtung für ihre Flucht vom Tatort nutzten. Ein Klettersteig übrigens, der mit ausgesetzten Passagen, Stahlseilen und Eisenleitern ganz schöne Anforderungen stellt. Immer wieder dachte ich an die ermordeten Wirtsleute und betrat schweren Herzens die Berghütte, in der sie gestorben waren. Ganz in der Nähe erinnert in einer Felsnische eine Gedenktafel an die beiden Toten. Auch dorthin ging ich und verweilte ein wenig vor dem Bild aus Lebzeiten, um für sie zu beten.
Zwei auf einen Streich, heißt es im Volksmund. Obwohl es auf eine Geiselnahme gemünzt arg salopp klingen mag, passierte genau das Mitte der Neunzigerjahre. Zweimal hintereinander musste das SEK zu einem solchen Einsatz ausrücken, ohne dass die beiden Fälle miteinander zu tun hatten.
An einem Nachmittag gegen 16 Uhr betrat ein etwa 50-jähriger Mann eine Bankfiliale im
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