Zugzwang
Augen. Der Kollege wandte sich wortlos ab.
Unter den Schaulustigen gab es keinen, der etwas bezeugen konnte. Die Halle lag sehr abgelegen. Die ersten Journalisten bahnten sich den Weg durch das Volk. Joshua und Jack verweigerten jedwedes Statement und verwiesen auf eine Pressekonferenz.
»Sie sind sich ziemlich sicher«, murmelte Jack.
»Wie meinst du das?«
»Wir ermitteln unter Hochdruck in vier Mordfällen und die legen uns den fünften vor die Nase.«
»Wer weiß, wie lange der da schon gelegen hat«, Joshua war zwar überzeugt davon, dass Skopje die verbrannte Leiche war, wollte sich aber anderen Möglichkeiten nicht verschließen.
»Die Bande hat über zweihundert Millionen an der Börse gemacht. Für mich wäre das genug. Ich würde mich mit der Kohle verziehen, wenn’s so heiß wird.«
Joshua rieb sich den Nacken. Sie stiegen in seinen Wagen und bahnten sich langsam den Weg durch die Schaulustigen auf die Straße. Sein Freund hatte Recht. Es musste einen Grund für diese Sicherheit geben.
»Wir haben einen Maulwurf, über den sie anscheinend ständig informiert werden. Sie bleiben ganz lässig. Das kann nur einen Grund haben: Wir sind auf der falschen Fährte.«
»Die Fährte kann so falsch nicht sein. Nein, wir machen einen Fehler. Einen Fehler, der ausreicht, um sie in Sicherheit zu wiegen.«
Sie blieben den Rest der Fahrt stumm und dachten angestrengt nach. Joshua ging in sein Büro und schaltete den PC ein. Während der Rechner hochfuhr, nahm er sich einen großen Block und kritzelte abgelenkt darauf herum. Anschließend stöberte er im Internet. Nach neuesten Meldungen der Demoskopen lag die PdV bereits bei achtundzwanzig Prozent. Er überdachte den heutigen Tag, ließ jedes Detail an sich vorüberziehen. Er sah die beiden Polizisten aus Düsseldorf vor sich. Einer von ihnen kam ihm bekannt vor. Angestrengt versuchte er, sich sein Gesicht vorzustellen. Er ging weiter zurück. Kamp-Lintfort. Das Forschungsinstitut. Die Jagd nach dem weißen Mercedes. Plötzlich sah er das Bild des Fahrers vor sich, bevor sie auf ihn schossen. Für den Bruchteil einer Sekunde sah er ihm in die Augen. Das Bild deckte sich mit dem des Kollegen aus Düsseldorf. Joshua rieb sich die Stirn. Unmöglich. Sein Verstand musste ihm einen Streich spielen. Das Bild tauchte wieder auf. Es gab jetzt keinen Zweifel mehr für ihn. Joshua griff zum Telefon und wählte die Nummer vom Staatsanwalt. Nach dem achten Freizeichen legte er auf. Sie mussten sofort eine Durchsuchungsanordnung für die Wohnungen der beiden bekommen. Joshua lief in das Büro von Jack und Nora. Sie grinste ihn auffordernd an. Joshua erzählte ihnen von seiner Eingebung.
»Mit der Durchsuchung können wir erstmal warten. Wir müssen sie jetzt vorladen«, meldete sich Nora.
Jack und Joshua sahen sich an.
»Vorladen? Wenn ich Recht habe, handelt es sich bei den beiden um die Mörder von Rosalinde Schändler. Mindestens. Glaubst du, die folgen einer Vorladung. Wir müssen sie sofort festnehmen!«
Nora biss die Lippen zusammen.
»Festnehmen? Du kleiner Träumer. Glaubst du, wenn du König mit deinen Visionen kommst, stellt der sofort einen Haftbefehl aus? Der wird dir was husten. Die kannst du direkt wieder laufen lassen.«
»Natürlich. Ich habe ihn erkannt. Reicht das etwa nicht?«
»Das sehe ich auch so. Aber das müssen die Düsseldorfer Kollegen klären. Unsere Leute sind doch gerade da.«
Joshua zögerte. Er griff sich den Telefonhörer von Jacks Schreibtisch und wählte die Handynummer von Daniel. Mit kurzen Sätzen erklärte er ihm die Situation und bat ihn anschließend, mit jemanden dorthin zu fahren und die beiden zu verhaften.
Auf dem Flur kam ihm Kalle entgegen. Er wollte in die Kantine. Joshua begleitete ihn. Es würde auch in der hektischsten Phase einer Ermittlung nicht vorkommen, dass Kalle auf seine Mahlzeiten verzichtete. Sein Kollege stellte den Teller mit dem Eisbein und dem Sauerkraut vor sich hin. Während er unentwegt Zucker in seinen Kaffee schaufelte, begann er schon mal, Joshua Bericht zu erstatten.
»Ich habe Baker mit deinem Kenntnisstand konfrontiert. Er behauptet, Skopje sei ein nervöser Anleger gewesen, der alle Nase lang bei ihm angerufen hätte. Persönlich kannte er ihn allerdings nicht. Wenn du mich fragst, ich glaube ihm kein Wort.«
»Wenn du mich fragst, ist dieser Baker einer der Schlüsselfiguren, wenn nicht sogar der entscheidende Mann. Wir müssen ihn in die Enge treiben, zu Fehlern zwingen.«
»Sehe ich
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