Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zugzwang

Zugzwang

Titel: Zugzwang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erwin Kohl
Vom Netzwerk:
stellte sich die Frage, wer einen Nutzen vom Tod Schändlers haben könnte. Jack griff zum Telefon und wählte die Nummer von Trempe.

16
    Joshuas Kopf dröhnte. Bis tief in die Nacht hatten sie noch bei Viktor zusammengesessen. Er sah auf seine Armbanduhr und zuckte zusammen. Zehn Uhr durch. Mit einem Satz sprang er aus dem Bett, worauf sein Gehirn mit dröhnendem Schmerz protestierte, und lief in die Küche. Auf dem Tisch stand eine Thermoskanne, ein Glas Wasser und eine Tasse. Daneben lagen eine Packung Aspirin, ein Schlüssel und ein Zettel. Würdest einen prima Ehemann abgeben, dachte Joshua. Er schmiss eine Tablette ins Glas und überflog den Zettel.
    »Schlaf dich erstmal aus, Urlauber. Kaffee müsste noch warm sein, Brötchen liegen im Backofen. Kannst den Jaguar nehmen, dein Wagen steht ja noch bei Viktor. Gruß – Daniel.«
    In einem Zug leerte Joshua das Glas, schüttete sich einen Kaffee ein und ging bedächtig mit der Tasse ins Bad. Über dem Waschbecken hing das Bild eines Obdachlosen und sah ihn zerknittert an. Joshua verzichtete auf warmes Duschwasser. Er spürte, wie sein Kreislauf begann, seine Normalform zu erreichen. Er nahm sich wahllos ein Handtuch und trocknete sich ab. Im Gesicht angekommen, musste er laut lachen. Rosa eingestickt standen die Worte ›Für den lieben Daniel‹ auf dem Handtuch.
    Ein Blick in den Spiegel verriet ihm, dass sein Bart oberhalb einer Entfernung von einem halben Meter kaum zu erkennen war und eine erneute Rasur somit nicht zwingend erforderlich wäre. Er steckte gerade mit einem Arm im T-Shirt, als sein Handy sich meldete. Den Klingeltönen folgend fand er es im Wohnzimmer in seinem rechten Schuh.
    »Jack hier«, bellte es aus dem Handy, »wie geht es dir?«
    »Musst du so schreien, mir geht es ausgezeichnet«, immer noch auf die Wirkung der Aspirin wartend, sprach er so, als könne jede unnötige Kieferbewegung seinen Kopf in die Luft sprengen. Von dem anderen Ende der Verbindung vernahm Joshua ein hämisches Lachen.
    »Hast du Zeit?«
    »Sobald ich angezogen bin. Wo treffen wir uns?«
    Sie verabredeten sich in Bims Marktwirtschaft am Rande der Düsseldorfer Altstadt. Dort trafen sie sich schon früher zum gemeinsamen Frühstück nach durchzechten Nächten.

    Joshua stand fast ehrfurchtsvoll vor der grünen Raubkatze. Er stieg, von der Hoffnung begleitet, der Wagen sei vollkaskoversichert, ein und startete den Motor. Kaum hörbar schnurrten die zwölf Zylinder los.
    Wenige Minuten später stand er auf der Autobahn. Verwundert schaltete er das Radio ein. Es musste sich um einen Unfall handeln, der Berufsverkehr war um diese Zeit längst durch. Die Nachrichten überschlugen sich. Sämtliche Autobahnen in Nordrhein-Westfalen waren verstopft. Präzise Erklärungen dafür konnte niemand liefern. Von drohenden Anschlägen war die Rede, Bekennerschreiben blieben allerdings bislang genauso aus wie die Anschläge selbst oder auch nur die geringsten Anzeichen dafür. Der Stau ging mittlerweile in zähfließenden Verkehr über. Joshua rief Jack an und teilte ihm sein Dilemma mit. Das wäre auch ein Grund, warum sie sich treffen würden, erwiderte dieser. Joshua konnte keinen Zusammenhang erkennen, während im Radio ein Sprecher des Verbandes der Bahnbenutzer tatsächlich einen kollektiven Streik der Bahnkunden nicht ausschließen wollte. Permanente Verspätungen und eine diffuse Preisgestaltung hätten den Frust dieser Menschen schon seit geraumer Zeit ansteigen lassen. Mit Tempo fünfzig steuerte Joshua den PS-Boliden weiterhin auf der linken Spur Düsseldorf entgegen. Nach einem mäßigen Musiktitel meldete sich ein Sprecher des Bundeskriminalamtes zu Wort. Es gäbe definitiv keinerlei Hinweise auf einen Anschlag. Prophylaktisch wurde in diesen Minuten damit begonnen, sämtliche ICE-Trassen in diesem Land zu überprüfen.
    Joshua fuhr durch das Kaarster Kreuz auf die A 52. Ein Sprecher der Bahn beeilte sich immer wieder zu betonen, dass sie alles unter Kontrolle hätten und nicht die geringsten Zweifel an der Sicherheit ihrer Kunden bestünden. Joshua kam mittlerweile immer zügiger voran und durchfuhr den Rheinknietunnel. Als die Wahlwerbung einer großen deutschen Volkspartei begann, drehte er das Radio leiser. Er konnte den Sinn dieser Wahlwerbungen nicht begreifen. Die Menschen im Lande hatten fünf Jahre lang Zeit, sich eine fundierte Meinung über die Arbeit von Regierung und Opposition zu bilden.
    Er tippte die heimische Telefonnummer in sein Handy. Nach dem vierten

Weitere Kostenlose Bücher