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Zuhause ist ueberall

Zuhause ist ueberall

Titel: Zuhause ist ueberall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Coudenhove-Kalergi
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Dieses zusammengewürfelte Häuflein Oppositioneller, ohne jede politische Erfahrung, diese Menschen hier auf dieser Kellerbühne sind jetzt die Herren des Landes. Was in Polen Jahre dauerte, in Ungarn Monate, hier ist es innerhalb von Wochen gelungen. Eine lange Pause. Und dann steht Václav Havel auf, plötzlich sehr ernst geworden. Und sagt: Es lebe die freie Tschechoslowakei! Das ist das Signal für einen beispiellosen Jubelausbruch. Der Saal ist außer Rand und Band. Jemand bringt Champagner. Alle fallen einander in die Arme, auch wir Journalisten. Und jetzt rufen alle: Es lebe die freie Tschechoslowakei!
    Später werde ich manchmal gefragt: Was war das wichtigste Erlebnis in Ihrem Journalistenleben? Ich muss nicht lange nachdenken. Diese Pressekonferenz in der »Laterna Magica«, die in eine Siegesfeier überging und auch uns Außenstehenden eine Ahnung davon brachte, was das heißt: Freiheit und Glück.

Mein Prag?
    Nach der Wende 1989 eröffnet der ORF ein Korrespondentenbüro in Prag und bietet mir die Leitung an. Soll ich das machen? Keine leichte Entscheidung. Ich bin nicht mehr jung. Ich habe in Wien ein gutes Leben, Freunde, Familie, eine angenehme Wohnung, einen interessanten Job. Jetzt noch einmal neu anfangen, in einem Land, das sich im Umbruch befindet? Wohnung suchen, Büro suchen, Mitarbeiter finden? Administrieren ist nicht meine Stärke. Aber nach einigem Zögern sage ich doch ja. Es ist verlockend, dabei zu sein, wenn ein Land den Schritt von der Diktatur in die Freiheit tut, auch wenn das zunächst einmal Chaos und Unordnung bedeutet.
    Und dann ist da noch etwas: Mich lockt die Rückkehr in meine Heimatstadt. Ich war in den letzten Jahren oft in Prag, aber immer nur als flüchtige Besucherin und als Hotelgast. Wieder ständig dort leben, wo man uns einst hinausgeworfen hat – das hat einen Reiz. Mit dieser Stadt bist du noch nicht fertig, sagt etwas in mir. Ich will es noch einmal wissen.
    Meine alte Freundin Věra Fischelová hilft mir beim Wohnung- und Bürosuchen. Auch für Věra hat die Wende eine Neuerung gebracht: Sie darf jetzt wieder als Psychoanalytikerin arbeiten. Die Psychoanalyse war in der Kommunistenzeit verpönt, Věra war klinische Psychiaterin in einem Spital. Aber sie hat noch die klassische Analyse gelernt, als eine der letzten Schülerinnen des letzten tschechischen Mitglieds der internationalen Psychoanalytischen Vereinigung. Diese Gemeinschaft funktioniert wie die katholische Kirche mit ihrer apostolischen Sukzession: Man muss gleichsam von einem echten Freud-Apostel geweiht worden sein, um darin Aufnahme zu finden. Věra und einer ihrer Kollegen fahren nun regelmäßig zur Supervision nach Wien, um danach in ihrer Heimat die reine Lehre an die Jungen weiterzugeben. Věras Kollege stöhnt ein bisschen: Die halten uns wohl alle für ahnungslose Barbaren.
    Auch der Wohnungsmarkt befindet sich in diesen ersten Wendejahren im Umbruch. Einen freien Immobilienmarkt hat es in der Tschechoslowakei, anders als etwa in Ungarn, nicht einmal teilweise gegeben. Der neuentdeckte Kapitalismus steckt in den Kinderschuhen. Es gibt keine festen Regeln, die Preisgestaltung funktioniert je nach Lust und Laune. Věra und ich fallen von einer Überraschung in die andere: Wir besichtigen sündteure Bruchbuden, sollen unser Büro mit windigen neugegründeten Firmen teilen und diese an unserer Infrastruktur beteiligen. Mir wird langsam mulmig. Aber schließlich werden wir fündig.
    Ich habe jetzt wieder eine Prager Adresse: zwei große Zimmer in einem schönen Jugendstilhaus am Masaryk-Ufer, direkt an der Moldau gelegen. Zehn Minuten zum Wenzelsplatz. Die Hauptmieterin ist eine resche Person, die mit ihren Kindern aufs Land gezogen ist. Mir schwant, dass sie oder ihre Familie diese Bleibe einst von Leuten übernommen hat, Großbürgern, Juden oder Deutschen, die die Stadt unfreiwillig verlassen haben. Manchmal kommt sie vorbei, wundert sich, dass ihre Wohnung nun ganz anders ausschaut, und bringt mir selbstgeerntete Zwetschgen aus ihrem Garten.
    Das neue ORF-Büro muss in der Nähe des tschechischen Fernsehzentrums liegen. Wir schneiden unsere Beiträge bei uns, aber dann müssen die Kassetten auf dem schnellsten Weg zur Fernsehleitung befördert werden, rechtzeitig für die Nachrichtensendungen. Die Innenstadt kommt also als Standort nicht in Frage. Wir suchen in der Vorstadt, der Region der berüchtigten Paneláky, der in der Kommunistenzeit massenhaft errichteten Plattenbauten. Wir finden

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