Zuhause ist ueberall
Ausscheiden aus dieser Funktion erlischt sie wieder.
Diese Personalie hat in der Öffentlichkeit Befremden ausgelöst. Ein Fürst? Ausgerechnet einer von denen, die wir Gottseidank endlich losgeworden sind?, sagen viele. Andere meinen, für alles, was mit Verwaltung zu tun hat, sei ein Österreicher vielleicht nicht so schlecht. Verwalten können sie schließlich, die Österreicher. Und Jiřina, die den neuen Kanzler noch aus Dissidentenzeiten kennt, sagt: Da hat der Vašek wenigstens jemanden, der seinen Burschen zeigt, wie man sich den Hals wäscht.
Die Präsidentengarde samt Blasmusik hat irgendwann neue Uniformen verpasst bekommen, die ein nach Hollywood emigrierter tschechischer Filmdesigner entworfen hat. Die Leute sehen aus wie fröhliche Spielzeugsoldaten in ihrer blauweißroten Montur. Bei der Vorstellung der neugewandeten Garde schlendert Kanzler Schwarzenberg auf mich zu. Fällt dir etwas auf bei den Uniformen? Nein, eigentlich nicht. Schau auf die Gürtel! Diese Gürtel haben ein blauweißes Rautenmuster, wie im Schwarzenbergschen Wappen. Des Rätsels Lösung: Ordentliche Gürtel waren in der Tschechoslowakei nicht zu bekommen. Aber in Wien gab es einen alten Posamentierer, der noch einen Vorrat an Gürtelmaterial für die einstige Schwarzenbergsche Leibgarde im Schloss Krumau auf Lager hatte. Dem Kanzler der Tschechoslowakischen Republik macht es sichtlich Spaß, dass die Präsidentenmusik nun mit einem historischen Schwarzenbergschen Uniformstück am Leibe ausrückt.
Jiřina ist jetzt Inhaberin des Lehrstuhls für Soziologie und Genderforschung an der Prager Karlsuniversität. In der Kommunistenzeit war sie es, die für den geheimen Transport aller wichtigen Dissidentendokumente in den Westen zuständig war. Dieses Material wurde später zum Grundstock des historischen Archivs über diese Zeit. Sie schaffte diese Arbeit jahrelang, bis sie denunziert, verurteilt und eingesperrt wurde. Die Verhöre waren mühsam, sagt sie, aber gottlob könne sie hervorragend lügen. Das Wichtigste dabei sei ein gutes Gedächtnis, damit man sich nicht in Widersprüche verwickle. Und das hatte sie.
Kurz nach der Wende hatte Jiřina in einem Zeitungsartikel das später vielzitierte Wort von der »grauen Zone« geprägt. Wir sollten ja nicht glauben, schrieb sie ihren Mitkämpfern ins Stammbuch, dass wir es sein werden, die im neuen Staat den Ton angeben werden. Die neuen Mächtigen würden die Leute aus der grauen Zone sein – diejenigen, die weder Regimeanhänger noch Dissidenten waren. Václav Klaus, der spätere Staatspräsident, sei ein gutes Beispiel dafür. Wer wirklich Widerstand geleistet und dafür gelitten hatte, werde für die Durchschnittsbürger eine Art personifiziertes schlechtes Gewissen sein. Und so etwas sei nie populär. Jetzt komme die Stunde der unpolitischen Technokraten, die sich eine ordentliche Ausbildung angeeignet hatten, während die Widerständler nicht studieren konnten und unqualifizierte Arbeit leisteten. Sie behält mit ihrer Prognose recht. In den ersten Nachwendejahren stehen die Dissidenten noch im Vordergrund, aber bald verschwinden sie – mit der einen Ausnahme des Staatspräsidenten Havel – aus dem öffentlichen Blickfeld.
Jiřina selber war seinerzeit Putzfrau. Sie hatte sich für ihre Arbeit das Klementinum ausgesucht, die berühmte Universitätsbibliothek. Dort stehen die Büsten der großen Denker und Humanisten, und Jiřina versäumte es nie, ihnen mit ihrem Staubtuch besonders liebevoll über die marmornen Köpfe zu streichen. Der spätere Außenminister Jiři Dienstbier war Heizer, der spätere Erzbischof und Kardinal Miloslav Vlk war Fensterputzer, Václav Havel selbst zeitweilig Brauereiarbeiter. Ich staune, mit welcher Selbstverständlichkeit die tschechischen Intellektuellen damals ins Volk eintauchten, aus dem sie, bedingt durch die Landesgeschichte, auch kamen. Sehr im Gegensatz zu den Polen mit ihrer Tradition der Adelsrepublik. Ich denke an meine Zeit in Polen und die Dissidenten, die ich dort getroffen habe. Fürs Vaterland sterben? Jederzeit. Aber fürs Vaterland Fenster putzen? Davon habe ich nichts gehört.
Jetzt beschäftigt Jiřina sich mit Frauenpolitik und wird dadurch schnell zum Magneten für Feministinnen aus aller Welt, besonders aus den USA. Diese wollen wissen, wie der Feminismus in einem postkommunistischen Land aussieht. Da prallen Welten aufeinander. Vom Kampf gegen die Männer nämlich wollen die tschechischen Frauen nichts hören. Die
Weitere Kostenlose Bücher