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Zuhause ist ueberall

Zuhause ist ueberall

Titel: Zuhause ist ueberall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Coudenhove-Kalergi
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»Diese Zeitungen – jüdisch, katholisch, kommunistisch – schreiben ja immer so gehässig über uns«, meint der Doktor. Aber an den Gerd kann er sich erinnern, selbstverständlich. »Ein schmissiger Bursche. Repräsentieren konnte er, wissen Sie, reden – wie ein Alter.« Als er verhaftet wurde, schloss die Verbindung ihren Gründer allerdings augenblicklich aus. »Wir haben gleich gesagt: Damit wollen wir nichts zu tun haben. Da wollen wir nicht hineingezogen werden.«
    Da ist es wieder, dieses »Damit haben wir nichts zu tun«. Seit meiner Volksschulzeit höre ich das. Immer und immer wieder. Ein österreichisches Leitmotiv. Schnell vergessen, was war, woran man einst geglaubt, woran man sich einst eifrig beteiligt hatte. Nicht nachdenken. Nicht nachfragen. Man ist jetzt, zumindest nach außen, wieder braver Staatsbürger. Das muss reichen. Die Ziele der Markomannia? Nun, man pflege deutsche Kultur, deutsches Brauchtum. Die Jungen sollen zu aufrechten deutschen Männern erzogen werden. Und die Lüge von der österreichischen Nation soll widerlegt werden. »Natürlich ist uns ein Bayer lieber als ein Jude oder ein Katzelmacher.«
    Ich solle übrigens ja nicht glauben, dass die Markomannen in der Gegend nicht fest verankert seien. Der Tierarzt hat einen Brief vom Bürgermeister, den kann er mir zeigen, in dem die Bemühungen der Alten Herren um die Jugend ausdrücklich gewürdigt und gelobt werden. Und beim letzten Stiftungsfest waren mehrere Hochschulprofessoren aus Wien da. Und mehrere Abgeordnete der Freiheitlichen Partei. Es war sehr schön.
    Gerd Honsiks letzte Schuletappe im Klosterneuburger Realgymnasium dauert nur ein paar Wochen. Irgendwann stellt ihn ein Lehrer wegen einer Verspätung zur Rede, und der Schüler Honsik flippt aus. Er wirft dem Lehrer einen Sessel an den Kopf. »Ich lasse mir diese ewigen Verfolgungen nicht mehr gefallen«, ruft er dabei aus. Und muss die Schule verlassen. War denn niemand da, frage ich mich, der diesem Burschen etwas anderes gezeigt hat als reaktionären Heimatmief und deutschnationalen Germanenkitsch? Kein Vorbild? Kein bisschen Aufklärung? Offenbar nicht.
    Der Schulabbrecher wirft sich nun ganz auf die Politik und verfasst eine »Kampfschrift« nach der anderen. »Österreicher, Preußen, Brüder! Schulter an Schulter werden wir die deutsche Erde freikämpfen! Besinnt euch der Helden unseres Volkes: Armin, Otto der Große, Gneisenau, Hitler … Stürmt hinan zum Parlament und jagt das Diktatorenkollegium der Nationalräte zum Teufel.«
    Und eines Tages kommt der Bombenanschlag, die Verhaftung, das Gefängnis. Und im Folgenden eine Karriere als Berufsnazi. Und wieder das Gefängnis. Ein verpfuschtes Leben. Aber es kann niemand etwas dafür. Praktisch alle, die den jungen Teja in seinen Entwicklungsjahren begleitet haben, sagen: Damit haben wir nichts zu tun.
    Ich rede mit einem seiner Lehrer am Klosterneuburger Gymnasium. Er ist einer der wenigen, die versucht haben, mit dem Schüler zu reden, wenn auch vergeblich. Ich frage ihn, wie viele Jugendliche in Österreich wohl ähnliche Ideen haben wie der Parlamentsbomber. »Nach meiner Erfahrung«, sagt der Professor, »in jeder Schulklasse zwei bis drei.« Gerd Honsik war nur ein wenig konsequenter als die anderen.

Hier marschieren Demokraten
    Das Hauptquartier der Sozialistischen Partei Österreichs liegt in der Löwelstraße, gleich hinter dem Burgtheater. Ich soll Redakteurin bei der Arbeiter-Zeitung werden, dem Zentralorgan der Sozialdemokraten, und muss mich beim obersten Chef vorstellen, dem neuen Parteivorsitzenden Bruno Kreisky, der Anfang 1967 in einer Kampfabstimmung und gegen einigen parteiinternen Widerstand gewählt wurde. Ich bin ein bisschen aufgeregt, denn Kreisky geht jetzt schon ein großer Ruf voraus. Ein österreichischer Politiker, heißt es, der ganz anders ist als die Politiker, die wir kennen. Deshalb bin ich auch hier.
    Kreisky, mit seinem Maßanzug und seinen roten Löckchen, empfängt mich freundlich. Der oberste Sozialdemokrat zeigt sich nett und charmant. Er freut sich, sagt er, dass ich zur AZ will. Ob ich denn Mitglied bei der SPÖ bin? Nein, sage ich. Und das will ich eigentlich auch nicht werden. In seiner Zeitung arbeiten, ja, gern. Aber Parteimitglied? Das nun wieder nicht. Kreisky nimmt es gelassen. Gut, sagt er, dann machen wir eben im Parteivorstand einen entsprechenden Beschluss. Ich staune und bin geschmeichelt. Ein Beschluss im Parteivorstand? Wegen mir kleiner Redakteurin? So

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