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Zum ersten Mal verliebt

Titel: Zum ersten Mal verliebt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucy Maud Montgomery
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überschwänglich und führte sie ins Empfangszimmer. Dann ging sie, um Irene zu holen. Rilla warf ihren Regenmantel ab und betrachtete sich kritisch in dem Spiegel über dem Kaminsims. Ihr Haar, ihr Hut und ihr Kleid saßen tadellos. Es gab nichts, worüber sich Miss Irene würde lustig machen können. Dabei hatte Rilla Irenes bissige Bemerkungen über andere Mädchen früher immer so treffend und lustig gefunden. Das hatte sie jetzt davon. Jetzt war sie an der Reihe.
    Schon kam Irene die Treppe herabgeschwebt, elegant gekleidet, ihr hellblondes Haar nach der neuesten Mode hochstilisiert, von einer beißend süßen Parfümwolke umgeben. »Nanu, wie geht es Ihnen, Miss Blythe?«, fragte sie zuckersüß. »Das ist ja wirklich eine Überraschung!«
    Rilla war zur Begrüßung aufgestanden und Irene hielt ihr die frostigen Fingerspitzen hin. Als Rilla sich wieder hinsetzte, zuckte sie unwillkürlich zusammen. Irene hatte es auch gesehen, als sie sich wieder hinsetzte. Ein belustigtes, unverschämtes Grinsen machte sich in ihrem Gesicht breit und verweilte dort bis zum Ende des Gesprächs. Rilla trug an einem Fuß einen eleganten Schnallenschuh und einen hauchdünnen blauen Seidenstrumpf. Der andere Fuß steckte in einem schweren, ziemlich schäbigen Stiefel und einem groben Baumwollstrumpf!
    Arme Rilla! Sie hatte ihre Stiefel und Strümpfe gewechselt beziehungsweise angefangen zu wechseln, nachdem sie ihr Kleid anzogen hatte. Und das kam dabei heraus, wenn man das eine mit den Fländen macht und das andere mit dem Kopf. In was für eine lächerliche Lage hatte sie sich da gebracht. Noch dazu vor Irene Howard, die die ganze Zeit Rillas Füße anstarrte, als hätte sie noch nie im Leben Füße gesehen. Und sie hatte Irenes Benehmen immer für perfekt gehalten!
    Alles, was Rilla sich vorgenommen hatte zu sagen, war plötzlich wie weggeblasen. Während sie vergeblich versuchte ihren dummen Fuß unter dem Stuhl zu verstecken, platzte sie mit einer nichts sagenden Phrase heraus.
    »Ich bin gekommen, weil ich dich fragen wollte, ob du unz einen Gefallen tun kannzt.«
    Auch das noch! Jetzt fing sie auch noch an zu lispeln! Sie war ja auf eine Demütigung gefasst gewesen, aber nun das! Das ging wirklich zu weit!
    »Ja, bitte?«, sagte Irene in kühlem Ton und richtete ihren unschuldigen Blick flüchtig auf Rillas puterrotes Gesicht, um ihn sogleich wieder zu senken, so fasziniert schien sie von Rillas ungleichem Schuhpaar zu sein.
    Rilla riss sich zusammen. Sie würde nicht lispeln. Ganz ruhig und gefasst würde sie sein.
    »Mrs Channing kann nicht kommen, weil ihr Sohn in Kingsport krank geworden ist. Ich komme im Namen des Komitees, um dich zu fragen, ob du so freundlich wärst, an ihrer Stelle für uns zu singen.« Rilla sprach jedes Wort so deutlich und sorgfältig aus, dass es klang wie auswendig gelernt.
    »Ich soll wohl jetzt die zweite Geige spielen, wie?«, sagte Irene mit ihrem hässlichen Grinsen.
    »Olive Kirk hat dich zuerst gefragt, aber du hast ja abgelehnt«, erwiderte Rilla.
    »Da hätte ich ja wohl kaum Zusagen können, oder?«, sagte Irene im Jammerton. »Nachdem du mir befohlen hast dich nie wieder anzusprechen. Das wäre doch ziemlich komisch für uns beide gewesen, findest du nicht?«
    Jetzt war der schwere Brocken dran.
    »Ich möchte mich dafür bei dir entschuldigen, Irene«, sagte Rilla mit fester Stimme. »Ich hätte das nicht sagen sollen und es tut mir sehr Leid. Kannst du mir noch mal verzeihen?« »Und auf deinem Konzert singen?«, fragte Irene süß und gemein.
    »Wenn du glaubst, ich würde mich nicht bei dir entschuldigen, wenn es nicht um das Konzert ginge, magst du Recht haben«, sagte Rilla zerknirscht. »Aber es stimmt auch, dass ich, seitdem das passiert ist, gedacht habe, ich hätte es nicht sagen sollen, und es hat mir wirklich den ganzen Winter über Leid getan. Das ist alles, was ich dazu sagen kann. Wenn du das Gefühl hast, du kannst mir nicht verzeihen, dann gibt es wohl dazu nichts mehr zu sagen.«
    »Aber liebste Rilla, nun fahr mich doch nicht so an!«, sagte Irene. »Natürlich verzeihe ich dir. Obwohl ich furchtbar darunter gelitten habe, du machst dir gar keine Vorstellung, wie furchtbar! Wochenlang habe ich geweint deswegen. Wo ich doch überhaupt nichts gesagt oder getan habe!«
    Rilla schluckte den Einspruch hinunter. Es hatte ja doch keinen Sinn, mit Irene zu diskutieren. Tatsache war, dass die Belgier Hunger leiden mussten.
    »Meinst du nicht, dass du uns bei dem Konzert

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