Zum Frühstück kühle Zärtlichkeit
antwortete sie sarkastisch, »aber sonst weiß ich ganz gut, daß ich eine Frau bin. Ich habe inzwischen geheiratet, ein Kind geboren.«
»Nein«, entgegnete Dr. Normann. »Sie wissen immer noch nicht, daß Sie eine Frau sind. Sie müssen erst noch eine werden, mit allen Konsequenzen. Sie müssen eine richtige Frau sein wollen, dann wird Ihr Körper auch zufrieden sein.«
Stephi Helmer sah ihn erstaunt an. Und auch ziemlich verwirrt. »Und wenn man das kapiert, dann ist man geheilt.«
Normann lächelte ein bißchen. »Wenn man es richtig kapiert, wenn man sich wandelt – ja, dann ist man geheilt.«
Ellen Diekenhorst zündete sich eine ihrer vielen Zigaretten an. »Ich weiß nicht«, sagte sie seufzend, »warum ich eigentlich an diesem Tisch sitze. Ich kann nicht mehr essen, kaum mehr schlafen. Ich habe nachts Angstzustände – aber ich bin nicht frigid, und ich bin auch nicht unglücklich verheiratet.«
Es fiel Normann auf, wie merkwürdig Helga Anderssen zu Ellen hinübersah, als sie zu ihr sagte: »Vielleicht bildest du dir das nur ein.«
»Was?«
»Daß du glücklich verheiratet bist.«
»Du meinst, weil ich nichts erzähle?«
»Genau.« Helga Anderssens Blick bekam etwas Lauerndes. »Schau mal, wir legen uns hier bloß, wir legen sozusagen unser Herz auf den Tisch – aber du hörst nur zu und schilderst deine Beschwerden. Warum sagst du nichts?«
»Eine gute Ehe«, antwortete Ellen Diekenhorst aggressiv, »ist doch überhaupt kein Thema in dieser Runde.«
Normann hatte das Gefühl, als habe Helga Anderssen eine Antwort auf der Zunge. Aber dann sagte sie doch nichts.
Sein Gefühl hatte den Arzt nicht getäuscht. Am nächsten Tag suchte ihn Helga Anderssen in seiner Praxis auf.
Sie setzte sich, ein wenig steif und gerade, wie es so ihre Art war. »Ich bin mir nicht im klaren, Herr Doktor: Belügt Ellen uns oder sich selbst?«
»Wieso?«
»Ihr Traummann, den sie uns da offeriert, betrügt sie in Wirklichkeit pro Woche – na, sagen wir drei- bis viermal.«
»Woher wissen Sie das?« fragte Normann überrascht.
»Es ist komisch, nicht wahr, daß ausgerechnet ich auf so etwas stoße?«
Er erwiderte nichts darauf.
»Ellen fährt einen silberweißen Ferrari. Am Samstag vor vierzehn Tagen fuhr ihn ihr Mann. Ausgerechnet vor meiner Haustür holte er ein Mädchen ab, ein sehr junges, ein sehr hübsches, ein sehr kesses Mädchen.«
»Das besagt noch gar nichts«, unterbrach Normann sie und fing einen spöttischen Blick von ihr auf.
»Da haben Sie ganz recht. Und wenn ich zur Zeit nicht stellungslos wäre und also meist den ganzen Tag zu Hause, könnte ich Ihnen die Fortsetzung der Geschichte nicht erzählen.« Erst nach einer Pause fuhr sie fort: »Das Mädchen hat zwei Stockwerke über mir ein Appartement, und der Herr Konsul Diekenhorst ist da Stammgast. Eine beliebte Stunde ist zum Beispiel der frühe Nachmittag, so zwischen drei und vier – wobei sie sehr vorsichtig sind, denn sie kommen getrennt, und sie gehen getrennt.«
Normann blieb stumm.
»Gefällt Ihnen die Geschichte nicht?« fragte Helga und sah den Arzt an.
»Nicht besonders.«
Ein harter Zug schlich sich in ihr Gesicht. »Ellen tut mir ziemlich leid, Herr Doktor. Sie sieht bald wie ein Gespenst aus, und zweimal in der Woche sitze ich ihr gegenüber. Wenn Sie jetzt zu mir sagen, ich bin eine Schnüfflerin, das geht mich nichts an, dann sage ich es ihr selbst und kümmere mich nicht mehr um Psychologie.«
»Aber, Helga«, beruhigte er sie, »davon ist doch gar nicht die Rede. Natürlich mußten Sie mir die Geschichte erzählen. Mir, aber bitte sonst niemand, vor allem Ellen nicht. In ihrem augenblicklichen Zustand würde sie damit nicht fertig.«
»Sie heißt übrigens Edith Lieven – das Mädchen, meine ich. Sie ist eine Kollegin von mir, Sekretärin in den Diekenhorst-Werken. Mehr weiß ich nicht.«
»Seine Sekretärin?« forschte Normann.
Sie zuckte die Schultern. »Tut mir leid, ich habe nur einen halben Detektiv gespielt.«
»Ob ihr Ellen mal begegnet ist?« dachte er laut.
Helga Anderssen begriff schnell. »Ja«, sagte sie, »vielleicht steckt ihr dieses Mädchen im Hals, oder die instinktive Angst davor, eine Witterung von Gefahr. Wäre das möglich?«
Normann nickte. »Sie machen Fortschritte in Tiefenpsychologie.«
Helga stand auf, sah Dr. Normann offen an. »Es scheint leichter zu sein, andere zu durchschauen als sich selber.«
»Was machen Sie denn so den ganzen Tag?« erkundigte sich der Psychiater.
»Sie sehen
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