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Zum Glück Pauline - Roman

Zum Glück Pauline - Roman

Titel: Zum Glück Pauline - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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der Wandel vonstattengegangen war. Meine Frau empfand das Ganze als freudlos, und ich auch. Ich fragte mich, was ich überhaupt wollte, und wie ich zu meiner einstigen Leichtigkeit zurückfinden könnte. Mir fiel die Reise nach Sankt Petersburgein, die mir so etwas wie einen Quell der Freude bedeutete. Vielleicht war es das, was ich brauchte, mit Édouard ein bisschen aus dem Alltag ausbrechen,
eine kleine Luftveränderung
, wie man so schön sagt. Sich Klöster und die schönsten Frauen der Welt ansehen, Blinis essen und Wodka trinken …
    «Soll ich dir einen Tee machen?», fragte Élise, wie um mich in die nüchterne Realität zurückzuholen.
    «Ja, gern … danke.»
    Sie ging nach unten. Ich verstand nicht, warum sie sich ausgerechnet einen Moment, in dem es mir so schlecht ging, ausgesucht hatte, um über unsere Beziehung zu diskutieren. Sie hatte mit mir reden müssen, auf der Stelle. Was bei diesem Abend am Ende herausgekommen war, war genau das Gegenteil von dem, was ich eigentlich beabsichtigt hatte, das ging mir oft so. Ich hatte meine Familie um mich scharen, sie zusammenschweißen wollen, und das Ergebnis war eine Spaltung. Élise kam zurück, mit einem Kräutertee. Schweigend stellte sie die Tasse ab. Bevor ich einen Schluck nahm, schaute ich sie an. Was würde aus uns werden? Zum ersten Mal stellte ich mir besorgt diese Frage.

28
    Intensität der Schmerzen: 8

Gemütslage: unbestimmt

29
    Mein Dasein erinnerte an den Film
Und täglich grüßt das Murmeltier
von Harold Ramis. Ich spielte Bill Murray mit Rückenschmerzen. Jeden Morgen dieselbe Szene: der Weg ins Krankenhaus. Warten auf den Befund, das war meine Bestimmung. Die Schmerzen ließen nicht nach, und ich hatte zunehmend Schwierigkeiten, mir Linderung zu verschaffen. Die Tabletten wirkten nicht mehr, und ich hatte schon alle sitzenden, liegenden und stehenden Positionen dieser Welt durchprobiert, um zu dem Schluss zu gelangen, dass keine von ihnen bequem war. Am besten war es noch im Stehen, bei angelehntem Rücken. Die anderen Patienten beäugten mich misstrauisch: Ich handelte sämtlichen Wartezimmerkonventionen zuwider, indem ich mich nicht setzte. Mir fiel ein, dass ich meinen Pyjama zu Hause vergessen hatte. Das ärgerte mich. Ich wollte ein mitdenkender Patientsein. Dann würde ich eben wieder den blassblauen überziehen. Ich bekam es gar nicht mit, als ich aufgerufen wurde. Der Arzt musste drei- oder viermal meinen Namen wiederholen.
    «Pardon, ich war ganz in Gedanken versunken», entschuldigte ich mich.
    «Das ist ein gutes Zeichen. Das heißt, dass Sie entspannt sind.»
    «…»
    «Das mit gestern tut mir wirklich leid. So was passiert sonst nie. Es hat zwei Stunden gedauert, bis das System wieder funktioniert hat.»
    «Ah, doch so lange», warf ich ein, um mich interessiert zu geben.
    «Na gut, Sie kennen die Prozedur ja jetzt schon. Ich brauche Ihnen nicht alles noch mal zu erklären, oder?»
    «Nein danke, ich weiß Bescheid.»
    «Haben Sie einen Schlafanzug dabei?»
    «Hab ich vergessen.»
    «Kein Problem, dann dürfen Sie sich wieder einen aussuchen …»
    Als ich vor dem Weidenkorb stand, stellte ich überrascht fest, dass der gestreifte Pyjama gar nicht mehr da war. Anscheinend wurden die Schlafanzüge gewaschen. Die Auswahl heute war sehr begrenzt. Es gab nur zwei Möglichkeiten: ein ausgewaschener, um nicht zu sagen depressiver gelber und ein karierter. Ich nahm den karierten, mit dem ich aussah wie ein wohlhabender Bourgeois, der zu Beginn des 20. Jahrhunderts in ein Sanatorium eingewiesen wurde.
    Ich zog ihn rasch an und legte mich auf den Tisch. Ich wollte, dass diese Qual nun so schnell wie möglich an mir vorüberging.
    Der Tisch glitt wieder in die Röhre hinein. Das Dröhnen der Maschine kam mir lauter vor als am Tag zuvor, die Reparatur hatte die Kiste offensichtlich wieder so richtig in Schwung gebracht. Sie ratterte und krachte, gewillt, den winzigsten Mikrotumor aufzuspüren. Ich spürte, ich stand im Fadenkreuz. Ich war ein Partisanenkämpfer, der von feindlichen Truppen ausgekundschaftet worden war. Sie richteten ihre Scheinwerfer direkt auf mein Gesicht, um mich zu blenden, sie wollten, dass ich gesenkten Hauptes und mit erhobenen Händen aus meinem Versteck herauskam. Dieser Krieg verlangte mir das Äußerste ab, ich kämpfte ums nackte Überleben und gegen die unbesiegbare Angst. Die Zeit verging, von fern drangen kaum vernehmliche Worte des Arztes an mein Ohr. Ich befand mich nun in einer angenehm

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