Zum Glück Pauline - Roman
Ich kam an einem Café vorüber, wo ein paar Leute draußen saßen und die Sonne genossen.
«Schon fertig?» sagte eine Frau zu mir.
«…»
Ich brauchte einen Augenblick, um die Frau aus dem Wartezimmer wiederzuerkennen.
«Äh ja … ja …»
«…»
«…»
«Wollen Sie sich nicht setzen und eine Tasse Kaffee trinken?», schlug sie vor, um uns aus einer gewissen Verlegenheit zu retten.
«Doch …»
Ich setzte mich ihr gegenüber, wo ich die Sonne im Rücken hatte. Hoffentlich kannte sie sich in Gesprächsführung aus, denn ich fürchtete, ich würde keine gute Figur abgeben. Um meinen Kaffee zu bestellen, hob ich gut sichtbar den Arm, es ging nur darum, irgendeine Gebärde zu machen,Haltung anzunehmen. Ich war es nicht gewohnt, mit einer Unbekannten einen Kaffee trinken zu gehen, einfach so, weil es sich gerade so ergab. Meine Bemerkung war mir immer noch peinlich, insofern wagte ich es kaum, sie anzuschauen. Dämlich eigentlich. Denn wenn sie mich aufgefordert hatte, Platz zu nehmen, dann doch sicherlich aufgrund meiner Äußerungen im Wartezimmer. Frauen hören es wohl gern, dass sie ganz wunderbar sind. Nachdem mir Frauen über vierzig Jahre lang ein Rätsel geblieben waren, ging mir plötzlich dieses Licht auf. *
Sie fragte mich erneut, warum meine Sitzung so schnell wieder vorbei war. Meine Erläuterungen brachten sie zum Lachen. Dass die Szene komisches Potenzial bergen könnte, auf die Idee wäre ich gar nicht gekommen. Wie oft kapierte ich erst im Nachhinein, was mit mir geschehen war. Sie fuhr fort:
«Und? Werden Sie ihren Ratschlag befolgen?»
«Das muss ich mir noch überlegen …»
«Überlegen Sie. Aber sie liegt mit ihren Einschätzungen schon meist richtig …»
Von den Umgangsformen der Magnetfeldtherapeutin restlos bedient, hatte ich über das, was sie im Grunde gesagt hatte, noch gar nicht nachgedacht. Was war davon zu halten? Ich war gern bereit zu glauben, dass mein Leiden psychosomatische Wurzeln hatte. Letztendlich war das ja auch eine beruhigende Sicht der Dinge: Daran würde ich nichtsterben. Ein Ödipuskomplex oder eine Trägheit der Libido bildete keinen Tumor aus. Laut der Magnetfeldtherapeutin würden meine Schmerzen so lange andauern, bis ich zum Kern des Problems vorgedrungen war. Mein Körper war ein Mysterium, zu dem sich nur mein Geist Zugang verschaffen konnte. Ich musste in den Untiefen meines Bewusstseins forschen. Auf diesen Weg war ich in den vergangenen Tagen schon öfter gestoßen. Zunächst hatte mich der Gedanke erschreckt, dass ich vielleicht selbst der Auslöser meiner Krankheit war. Dann hatte meine Frau die Theorie aufgestellt, es könne ein Zusammenhang bestehen zwischen meinen Schmerzen und meinen beruflichen Nöten. Das war gut möglich, aber die Arbeit war nicht das Einzige, was mir Kopfzerbrechen bereitete. Wo lag das eigentliche Problem? Es musste doch eine Lösung geben. Es gab mit Sicherheit eine. Der Weg würde also über den Freud’schen Diwan und nicht über irgendwelche medizinischen Tests führen. Alles schien einer seltsamen Logik zu gehorchen, nach der der Körper nicht den Launen der Natur, sondern den Entscheidungen des Bewusstseins unterlag.
Die Unbekannte war so freundlich, meinen inneren Monolog nicht zu stören. Ich war so in Gedanken versunken, dass ich unser Gespräch ganz vergessen hatte. Man merkte, dass ich im Umgang mit Menschen nicht mehr sonderlich geübt war. Es war an mir, etwas zu sagen, aber was? Warum war ich so schüchtern? Das war ja absurd. Diese Begegnung hatte auch etwas sehr Einfaches. Wir stellten uns nicht gegenseitig auf die Probe, das war deutlich zu spüren. Wir waren zwei Fremde, die das Glück genossen,einander fremd zu sein, und die sich in der totalen Willkür eines Augenblicks furchtlos gegenübertreten konnten.
«Und Sie, warum gehen Sie zur Magnetfeldtherapie?»
«Ich bin als Kind von einem Hund gebissen worden … und …»
«…»
«Also, es gibt keinen objektiven Grund dafür, dass mir das immer noch wehtut … aber es kommt mir ein bisschen so vor, als ob die Wunde mit den Jahren nicht verheilt wäre …»
«Verstehe …»
«Die Behandlung hilft mir. Ich glaube, ich bin dabei, ein Leiden zu überwinden, das nicht mehr rational ist …»
Sie beschrieb daraufhin, wie sie im Alter von acht Jahren von einem Hund angegriffen worden war. Wenn nicht ein Passant eingegriffen hätte, wäre sie wohl noch schwerer verletzt worden. Ich stellte ihr die nicht sehr originelle Frage:
«Sie müssen vor
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