Zum Glück verführt: Roman (German Edition)
Verfügung.«
»Sehr nett von Ihnen, General.«
»Die Suppe war ausgezeichnet, Gracie«, wiederholte
er sein Lob von zuvor. Dann steuerte er aus der Küche.
»Der Ärmste kann kaum noch etwas zu sich nehmen. Bisweilen macht es mich halb krank, wenn ich seinen Diätplan sehe. Dabei würde ich ihm so gern etwas Schmackhaftes kochen.«
Hilfsbereit ging Andy Gracie beim Tischabräumen zur Hand. »Der General ist sehr krank, nicht wahr?«, fragte sie leise.
»Ja«, räumte Gracie freimütig ein. »Ich versuche mich darauf einzustellen, dass er irgendwann von uns gehen wird, und wünsche mir inständig, dass dieser Tag noch in sehr weiter Ferne liegen möge. Er ist ein guter Mensch mit einem feinen Charakter, Andy.«
»Das kann ich nur bestätigen. Sie arbeiten schon sehr lange für ihn, nicht wahr?«
»Fast vierzig Jahre. Ich war damals ein junges Mädchen von kaum zwanzig, als er und Mrs. Ratliff mich einstellten. Sie war eine echte Dame und so zart wie eine seltene Blüte. Sie vergötterte ihn und Lyon. Nach Rosemarys Tod hat sich der General nie wieder für eine Frau interessiert, obschon ich der Ansicht war, dass Lyon eine Mutter bräuchte. Wahrscheinlich ging der Senior unbewusst davon aus, dass ich den Jungen unter meine Fittiche nehmen würde.«
»Lyon erzählte mir, dass Sie sich rührend um ihn gekümmert haben.«
Der Schwamm, mit dem Gracie die Essbar abwischte, hielt mitten in der Bewegung. »Hat er das gesagt? Dann kann ich als Mutterersatz so schlecht nicht gewesen sein. Trotzdem, ich mach mir Sorgen um den Jungen. Er ist dermaßen verbittert vom Leben – das macht mir wirklich Angst.«
»Er erwähnte, dass er verheiratet war.«
»Mit einem bildhübschen Mädchen, das muss der Neid ihr lassen.« Gleichwohl rümpfte die Haushälterin missfällig die Nase. »Leider Gottes war ihre Schönheit nur Fassade. Nach dieser unseligen Heirat hat sie Lyon das Leben zur Hölle gemacht. Der arme Junge hatte keine ruhige Minute mehr. Dieses war nicht richtig und jenes war nicht richtig. Sie jammerte, nörgelte an allem herum. Hier in diesem Provinznest würde sie irgendwann noch versauern. Sie wollte ›mehr vom Leben‹.
Ihr schwebte immer eine Karriere als Model oder in der Modebranche vor. Also ist sie eines Tages auf und davon nach New York. Und nie zurückgekehrt. Der General und ich waren darüber richtiggehend erleichtert. Lyon hatte jedoch schwer damit zu kämpfen. Nicht weil er sie sonderlich vermisste. Ich glaube sogar, er war froh, als sie endlich weg war. Aber irgendwie muss sie einen empfindlichen Nerv bei ihm getroffen haben … Ich weiß es ehrlich gesagt auch nicht.«
»Er hat tief sitzende Vorurteile gegen Karrierefrauen.«
Fragend hob Gracie die Brauen. »Auch gegen Sie?«
»Gegen mich besonders.«
»Ach was? Vielleicht, weil Sie ihm gestern Paroli geboten haben? Also ich fand das ziemlich schlagfertig und gewitzt von Ihnen«, setzte sie lachend hinzu. »Aber Sie haben Recht. Was Frauen angeht, ist er misstrauisch geworden.«
»Wie hieß sie?«
»Wer? Seine Ex? Jerri.«
»Jerri«, wiederholte Andy abwesend.
Wie am Vortag verschränkte die Haushälterin die Arme vor ihrer beachtlichen Leibesfülle und legte den Kopf schief. Den Blick prüfend auf Andy geheftet, fragte sie ohne Umschweife: »Sind Sie da draußen im Regen bloß nass geworden? Oder ist da mehr zwischen Ihnen beiden gewesen?«
Andy fühlte, wie eine tiefe Röte über ihre Wangen huschte. »Ent… entschuldigen Sie mich bitte, aber ich muss noch ein paar Notizen durchgehen.«
Fluchtartig verließ die Journalistin die Küche. »Genau, wie ich es mir gedacht hab!«, hörte sie noch, begleitet von Gracies Gekicher.
»Da saß also dieser Wimbledon-Gewinner im Herreneinzel in meinem Londoner Hotelzimmer und schleppte mir ungelogen seine riesige Trophäe an.«
Sämtliche Blicke waren auf Andy geheftet, während sie die Geschichte zum Besten gab. Sogar Gracie
hielt mit dem Kaffeeeinschenken inne und lauschte. Obwohl General Ratliff die Lider halb geschlossen hatte, wusste Andy, dass er genau zuhörte, denn er lächelte verschmitzt. Lyon hatte sich in seinen Sessel zurückgelehnt. Er drehte den Stiel seines Weinglases zwischen Daumen und Zeigefinger.
»Natürlich fühlte ich mich ungemein geschmeichelt, dass er ausgerechnet mir ein Exklusivinterview geben wollte. Wie Sie sich sicher vorstellen können, waren darauf auch zig andere Medienleute scharf gewesen. Für mich war es jedenfalls eine Supersache. Die einzige
Weitere Kostenlose Bücher