Zum Glück verführt: Roman (German Edition)
Andy hatte ihm freilich gleich gesteckt, dass er bei ihr nicht würde landen können. Daher war sein Flirten mit ihr nur Show.
Ob die Leute sie damals wohl auch bedauert hatten, als Robert ständig in der Weltgeschichte herumgedüst war, ähnlich wie Jeff? Ganz bestimmt, tippte Andy. Vor seinem Tod, im letzten Jahr ihrer Ehe, hatte ihr Mann zudem irgendetwas laufen gehabt – alle hatten von der Affäre gewusst, nur sie nicht!
»Jeff.« Lyon schüttelte dem Kameramann die Hand. »Lyon Ratliff.«
»Das ist Gil, unser Tontechniker.«
»Hallo, Mr. Ratliff.« Gil drückte Lyon freundlich die Hand. Er war ein umgänglicher Typ, der bei niemandem aneckte und seinen Job so kompetent machte, dass man ihn häufig gar nicht wahrnahm. Wegen seiner liebenswürdig zurückhaltenden Art hatte Andy ihn ins Herz geschlossen. Wenn sie ihn gebeten hätte, ihr den Mond vom Himmel zu holen, hätte er auch das versucht.
»Tony ist unser Beleuchter.« Andy machte ihn mit Lyon bekannt. Tony war häufig gereizt, vermutlich weil er sechs Kinder hatte, die ihm die Haare vom Kopf futterten. Gleichwohl war er ein Experte für ideale Lichtverhältnisse.
Ein Produktionsassistent machte das Team komplett. Er war quasi das Mädchen für alles und erledigte
die Jobs, für die sich niemand zuständig fühlte, weil man keine Lust oder Zeit hatte. Warren sah aus wie ein Skelett mit Schonbezug, war aber stark wie ein Bär und drahtig wie ein Affe. Er kletterte auf Bäume, watete durch Flüsse, schlug sich durchs Gebüsch oder hangelte sich an schwindelerregend hohen Gerüsten hoch, damit die Spezialisten genau die Bildeinstellung und den Ton bekamen, die ihnen vorschwebten.
»Aha, Gracie hat Ihnen schon Frühstück gemacht«, sagte Lyon, und die vier stöhnten theatralisch auf. Er lachte. »War sicher mal wieder reichlich, was?«
Merkwürdig, bei ihren Leuten war er plötzlich die Freundlichkeit in Person, überlegte Andy verblüfft. Und ihr selbst gegenüber verhielt er sich wie ein Scheusal!
»Fühlen Sie sich wie zu Hause. Nachher wird Gracie im Gästehaus anrufen, damit man Sie mit Ihrem Gepäck abholt. Wenn Sie irgendetwas brauchen, sagen Sie es ruhig Ms. Malone. Sie wird es an mich weitergeben.«
Ms. Malone.
Die gesamte Crew einschließlich Jeff schien beeindruckt von Lyon Ratliff, und Andy kam sich vor wie im falschen Film. Aber von wegen gastfreundlich und umgänglich. Als er süffisant grinsend hinausglitt, schwante ihr, dass er sich aus reiner Berechnung so verhalten hatte. Er wollte ihr demonstrieren, dass
er verdammt nett sein konnte – nur nicht zu ihr. Unvermittelt schmerzte ihre Kinnmuskulatur, und sie merkte, dass sie wütend die Zähne zusammenbiss.
Die erste Katastrophe passierte, als Gil feststellte, dass eines der Mikrofonkabel tot war. »Ich hab echt keine Ahnung, was mit dem Ding los ist, Jeff«, meinte er entschuldigend, als der temperamentvolle Kameramann ihn deswegen anpflaumte. »Da ist einfach kein Saft drauf.«
»Gil, meinst du, so was gibt es hier in Kerrville zu kaufen?«, versuchte Andy zwischen den beiden zu vermitteln.
»Null Ahnung. Ich kann versuchen, so was hier zu bekommen. Wenn nicht, muss ich nach San Antonio rüberfahren.«
Andy ignorierte Jeffs gedämpftes Fluchen.
»Dann nimm den Van. Inzwischen kümmern wir uns um die erste Einstellung. Sobald du wieder hier bist, fangen wir an.«
Schließlich klappte dann aber doch alles wie am Schnürchen, obwohl Andys größte Sorge nicht ihrem Aufnahmeteam, sondern dem General galt. Elegant in Anzug und Krawatte gekleidet, war er am Morgen zu den Interviews erschienen, pünktlich auf die Minute. Je eher sie starteten, desto besser, fand Andy. Dann blieben ihm die Nachmittage und Abende zum Ausruhen und zur Vorbereitung auf die nächste Sequenz. Das Projekt würde natürlich mehr Zeit beanspruchen, da sie immer nur eine Folge pro Tag filmten.
Allerdings hatte sie sich fest vorgenommen, die Gesundheit des Generals nicht überzustrapazieren. Das hatte sie auch Lyon versprochen.
Sie war enttäuscht, dass er seine Militäruniform nicht trug, und als sie ihn darauf ansprach, wirkte er erkennbar betreten.
»Nach meinem Heeresabschied hab ich nie wieder eine neue bestellt. Die alten, die ich noch habe, sind über vierzig Jahre alt und mottenzerfressen. Die möchte ich nur ungern anziehen.«
Zwar leicht verstimmt, ließ Andy sich ihre Frustration jedoch nicht anmerken. Stattdessen tätschelte sie ihm lächelnd die Schulter. »Kein Problem, wenn Sie das nicht
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