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Zum Krieger geboren: Mein Leben als Navy Seal (German Edition)

Zum Krieger geboren: Mein Leben als Navy Seal (German Edition)

Titel: Zum Krieger geboren: Mein Leben als Navy Seal (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chuck Pfarrer
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Leuchtspurgeschossen und Granaten in Brand gesetzt worden, Flammen schlugen aus den Fenstern.
    Als wir zum Rancho Deluxe zurückgingen, rasselte uns ein libanesischer Schützenpanzer entgegen, der auf dem Weg zum überfallenen Pickup war. Ein Besatzungsmitglied feuerte mit einem schweren Maschinengewehr, Kaliber .50 BMG, das auf der Turmlafette montiert war. Während der Panzer sich dem liegen gebliebenen Pickup näherte, schoss der MG-Schütze eine Salve nach der anderen ab. Ich drehte mich um und schaute nach Norden. Dort leuchtete auf dem Wohnblock, aus dem der Scharfschütze geschossen hatte, fast gleichzeitig eine Unzahl weißer Explosionsblitze auf, als ob es Kugeln regnen würde. 12,7-mm-Geschosse schlugen in einem wahren Bleiorkan in die Dächer und Treppenhäuser ein.
    Als der Schützenpanzer an unserem Unterstand vorbeifuhr, grinste uns der Schütze unter seinem Panzerhelm an, hob die Hand und spreizte Zeige- und Mittelfinger. Wir konnten uns jetzt aussuchen, ob er damit das Friedens- oder das Victory-Zeichen meinte.
    Es war zwar nicht Dien Bien Phu, aber schön war es auch nicht. Es geschah zwar nicht jeden Tag, aber oft genug. So oft, dass wir wussten, was kommen würde. Bereits beim Abschuss wussten wir, wer uns heute im Visier hatte. Wir lernten das Geräusch der RPGs, Mörsergranaten und Katjuscha-Raketen genau zu unterscheiden. Wir wussten, wie es sich anhörte, wenn Artillerie-Blindgänger auf der Startbahn einschlugen und wo wir sie nach dem Ende des Dauerfeuers finden würden. Die russischen 122-mm-Geschosse hatten sich tief in den Asphalt gebohrt. Detoniert waren sie nicht, weil wieder einmal ein gehirnamputierter drusischer Artillerist vergessen hatte, zuvor einen Zünder hineinzuschrauben.
    Beirut mochte ein verdammt verrückter Ort sein, die Stadt war jedoch nicht halb so seltsam wie Washington D. C. Während uns Mitte September fast täglich die Granaten um die Ohren pfiffen, erzählte der Commandant of the Marine Corps, General P. X. Kelley, ein Mann, der es ganz gewiss hätte besser wissen müssen, dem Kongress, »dass für unsere Marines keine wesentliche Gefahr besteht«. Er fügte sogar noch hinzu, es gebe keinen Beweis dafür, dass das Raketen- oder Artilleriefeuer speziell auf die multinationale Friedenstruppe gerichtet sei.
    Vielleicht hatte er recht. Vielleicht schossen sie auch nur auf unsere Fahrzeuge.
    Es wurde immer deutlicher, dass der Libanon in Washington eine fixe Idee war. Wer eine Verschlechterung der Lage wollte, wurde ebenfalls immer klarer. Die Marines und Matrosen hegten dagegen keinerlei positiven Gefühle für diesen Ort. Und wir selbst wurden in den stinkenden, gärenden Slums außerhalb unseres Stacheldrahtzauns auch nicht gerade geliebt. Die multinationale Friedenstruppe tat jetzt nicht einmal mehr so, als ob sie die Geschehnisse in der Stadt kontrollieren würde. Die vereinten Waffen einer ganzen Marine Amphibious Unit hatten es nicht einmal geschafft, Hooterville unter Kontrolle zu bringen. Irgendwer irgendwo im Pentagon muss einfach erkannt haben, wie beschissen und tödlich die Lage in diesem Land allmählich wurde. Es muss einfach einen Oberst, einen Hauptmann, einen hellsichtigen Major gegeben haben, der sich die Tortendiagramme, Kurvenblätter und Hochglanzberichte anschaute und sich fragte: »Was zum Teufel treiben wir da eigentlich?«
    Aber wir waren nun einmal hier, und die Politiker mögen es nicht, von irgendwo abzuziehen. Sie meinen, dies könnte als Schwäche gegenüber dem Kommunismus, Terrorismus, Fanatismus oder irgendeinem anderen Ismus ausgelegt werden, den wir doch hier bekämpfen sollten. Also blieben wir, und die Lage verschlimmerte sich leise, schleichend und unaufhaltsam immer weiter.
    Im Oktober endete plötzlich von einem Tag auf den andern der Sommer. Zuvor hatte es ab und zu ein wenig geregnet, aber jetzt wurden die Tage schlagartig kühler und die Nächte feucht und kalt. Der häufige Regen verwandelte den Staub in Schlamm. In den Unterständen trommelten die Tropfen auf eine beruhigende, beinahe hypnotisierende Weise auf die sandsackbewehrten Dächer. Wenn die Schauer endeten, war die Luft unter den aufgerissenen Wolken frisch und klar. Die Berge, die im Sommer braun und weit entfernt im Hitzedunst verborgen lagen, waren jetzt grün und ganz nah. Ihre nassen Straßen schimmerten fast silbern, wenn die Sonne einmal durch die Wolken brach.
    In diesen Tagen endete Waffenruhe auf Waffenruhe in einer monotonen Folge von

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