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Zum Krieger geboren: Mein Leben als Navy Seal (German Edition)

Zum Krieger geboren: Mein Leben als Navy Seal (German Edition)

Titel: Zum Krieger geboren: Mein Leben als Navy Seal (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chuck Pfarrer
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ganz bestimmter Moment ins Gehirn eingegraben, eine Sekunde aus einer ganzen Lebenszeit, die niemals ausgelöscht werden konnte. Der Bombenanschlag bedeutete für jeden von uns etwas anderes. Für einige war es der Donnerschlag, der die Unterstände erzittern ließ, oder der Schatten einer riesigen Pilzwolke, die hinter dem Flughafen-Terminal in den Himmel aufstieg. Zum ersten Mal hatten wir in Beton eingebrannte menschliche Umrisse gesehen, die vollständigen Silhouetten menschlicher Wesen, die die Explosion in eine Art feuchten Nebel verwandelt hatte, der sich dann auf den zerschmetterten Wänden des BLT dauerhaft niedergeschlagen hatte. Für andere waren es die schrecklichen Minuten, als sie zuschauen mussten, wie ein Sanitäter Morphium in einen zuckenden Körper spritzte, einen Marine, der auf einem Armierungseisen aufgespießt war und nicht mehr gerettet werden konnte.
    Die Überlebenden blieben unter sich. Sie waren still, doch sie beobachteten einander. Sie passten auf eine Weise aufeinander auf, die so verloren wie anrührend war. Wenn man sich in einem schlammigen Deckungsloch hinsetzte und eine MRE-Packung aufriss, griff der neben einem sitzende Marine schweigend in die Tasche und warf einem wortlos eine Flasche Tabasco zu. Marines, denen man zuvor noch nie begegnet war, gaben einem Zigaretten oder Kautabak oder ließen einen aus ihrer Feldflasche trinken. Dies waren alles wertvolle Dinge, die uns gegenseitig bewiesen, dass wir noch am Leben waren.
    Die 24 MAU hing immer zusammen. Die Marines aus Camp Lejeune, die uns eigentlich unterstützen sollten, wurden von uns geflissentlich ignoriert. Ihre nagelneuen Tarnanzüge, ihre Bauernbräune, die sich auf Arme und Nacken beschränkte, und ihre völlig unbenutzte Ausrüstung kennzeichneten sie bereits aus einer Entfernung von 100 Metern als Frischlinge und »Touristen«. Sie zogen es vor, uns überhaupt nichts zu fragen, ganz gleich, welches Thema auch anliegen mochte. Dieser Ort machte ihnen Angst, und die Überlebenden taten es auch. Die Alteingesessenen hatten alle einen Blick drauf, der einen zu Tode erschrecken konnte.
    Beirut war für uns nicht länger ein Stück Land, sondern etwas, das nicht zu dieser Welt gehörte, ein schemenhaftes Trugbild, das zur einen Hälfte eine geografische Tatsache, zur anderen ein Albtraum war. Schon bevor wir die Stadt verließen, war sie zu einer Erinnerung geworden, die unbedingt verdrängt, in eine bleierne Kiste eingeschlossen und irgendwo in der Wüste vergraben werden musste. Wir wussten, dass wir versuchen konnten, diese Erinnerung zu ignorieren, aber wir wussten auch, dass wir »the root«, wie wir die Stadt unter uns nannten, nie vergessen würden. Sie würde nie verloren gehen, und dieser Sonntagmorgen sollte uns für den Rest des Lebens in unseren Träumen peinigen, erbarmungslos und angsteinflößend wie ein wucherndes, unheilbares Krebsgeschwür. Wir waren verstummt und zu wandelnden Kriegsneurotikern geworden. Wir schlurften durch unseren Stützpunkt, als ob wir einen Autopiloten eingeschaltet hätten. Wir waren immer noch zu fassungslos, betäubt oder trotzig, um uns einfach hinzulegen, wie ein Baby zusammenzurollen und am Daumen zu lutschen. In den letzten Wochen unseres Aufenthalts funktionierten wir einfach, standen Wache und machten unseren Job. Mehr gab es nicht zu tun.
    Kurz vor Thanksgiving war die 22. Marine Amphibious Unit, nachdem sie Grenada besetzt hatte, endlich im Mittelmeer auf dem Weg zu uns. Ich konnte es kaum glauben, dass wir bald heimkehren würden. Es gab sogar nur einen einzigen Weg, wie ich an diesem Ort weiterhin funktionieren konnte. Ich musste so tun, als ob ich ihn niemals verlassen würde.
    Der 5. Zug führte weiterhin Einsätze durch. Wir patrouillierten am Ufer entlang und stießen nördlich von Beirut bis Jounieh vor. Dort taten wir uns mit einer luftbeweglichen Infanterieeinheit der LAF zusammen und führten gemeinsam eine Patrouille ins Inland zu den zerstörten Resten eines Fußballstadions durch, das wir als Hubschrauberlandezone nutzten. Während wir den Landeplatz sicherten, schwebten geräumige CH-53-Transporthubschrauber heran, die fast so groß waren wie das Fußballfeld selbst. Ihre Crews schoben riesige Paletten voller medizinischer Hilfsgüter, Nahrungsmittel und Artilleriegranaten aus dem Laderaum, die dann auf Lastwagen geladen und zu den LAF-Batterien im Schuf-Gebirge gebracht wurden.
    Bei unseren letzten Operationen beschränkten wir uns also darauf, die

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