Zum Lieben verfuehrt
sie heute wahrscheinlich seinen Cousin kennenlernen würde, war sie fast ein wenig neugierig gewesen. Sie hatte sich gefragt, ob Tino wirklich so schlimm war, wie Ilios behauptete. Oder verteufelte Ilios seinen Cousin womöglich aus nachvollziehbaren Gründen, die in ihrer Kindheit lagen?
Doch dann hatte ihr weniger als eine Minute in Tino Manos’ Gesellschaft gereicht, um zu erkennen, dass Ilios mit seinem Urteil recht hatte. Tino war schlicht unerträglich.
„Wie reizend, dass ich jetzt doch noch in den Genuss komme, mit der frisch Angetrauten meines Cousins ungestört ein wenig plaudern zu dürfen“, sagte er mit einem schlüpfrigen Grinsen.
Dabei klebte sein Blick an ihren Brüsten, die sich nur sehr diskret unter dem hochgeschlossenen Seidenkleid abzeichneten, das in keiner Weise zu provozieren versuchte. Trotzdem bedachte Tino sie mit so lüsternen Blicken, dass Lizzie den Drang verspürte, die Arme über der Brust zu verschränken.
Ist es nicht seltsam, dass man nicht selten innerhalb eines Sekundenbruchteils weiß, ob man einen Menschen sympathisch findet oder auch nicht, überlegte Lizzie, während sie verzweifelt nach einer Ausrede suchte, die ihr ein Entkommen erlaubte.
Tino war über einen Kopf kleiner als Ilios und leicht untersetzt. Entscheidend aber war seine Ausstrahlung, die Lizzie in jedem Fall geraten hätte, Abstand zu halten. Inzwischen konnte sie Ilios’ ablehnende Haltung seinem Cousin gegenüber nur zu gut verstehen. Tino wirkte alles andere als vertrauenswürdig.
„Glückwunsch, dass Sie sich Ilios geangelt haben. Sie müssen ja was ganz Besonderes an sich haben, dass er für Sie sogar seine heiß geliebte Freiheit aufgibt“, bemerkte er in zweideutigem Ton.
Lizzie hatte Mühe, ruhig zu bleiben. Die Art, wie Tino sie ansah, widerte sie ebenso an wie sein Tonfall. Deshalb war sie froh, als sie plötzlich hinter sich Ilios ruhig sagen hörte: „Ja, sie ist etwas ganz Besonderes, und dafür liebe ich sie.“
„ Wie bitte? Du liebst sie? Das ist aber eine Überraschung!“, spottete Tino.
Er ist wie ein Hund, der sich in einen Knochen verbissen hat und sich weigert loszulassen, dachte Lizzie.
„Die Zeiten ändern sich. Lizzie hat mein Leben komplett verändert.“
Während Ilios sprach, drehte er sich zu ihr um und schaute ihr lächelnd in die Augen, dann nahm er ihre Hand und fuhr ihr zärtlich mit dem Daumen über den Handrücken.
„Und dann musstest du sie so überstürzt heiraten, dass du nicht einmal Zeit für einen Hochzeitsempfang hattest, richtig?“
Tino blieb misstrauisch. Lizzies Hand zitterte leicht, und der Blick, den sie Ilios zuwarf, verriet alles über ihre Gefühle.
„Nun, ich wollte nicht das Risiko eingehen, dass ich sie am Ende doch noch verlieren könnte“, gab Ilios zurück, wobei er sie immer noch anlächelte.
Und dann verblüffte er Lizzie damit, dass er sich zu ihr herunterbeugte und sie küsste. Lizzie wusste natürlich, dass die Geste ausschließlich für seinen Cousin bestimmt war, trotzdem war sie freudig überrascht. Ihre Lippen wurden weich und anschmiegsam unter seinen. Instinktiv legte sie eine Hand auf seinen Arm und schmiegte sich an ihn. Ihr Körper war ihm hoffnungslos verfallen und lechzte nach seiner Nähe. Sie spürte, wie sich unter der Seide ihres Kleides ihre Knospen aufrichteten. Schlagartig erwachte ihr Verlangen. Unfähig, sich davon abzuhalten, legte sie ihm eine Hand an die Wange und zeichnete mit den Fingerspitzen begehrlich seine Kinnpartie nach.
Jetzt beendete Ilios den Kuss. Lizzie schaute ihm in die Augen. Ihre zitternde Hand an seiner Wange verriet nur allzu deutlich, wie es um sie bestellt war. Ihre Lungen schrien nach Sauerstoff, sodass sie tief durchatmen musste. In ihrem Kopf formten sich die Worte Lass uns nach Hause gehen, ich will dich so sehr , aber sie verbot es sich, sie auszusprechen.
„Wie habt ihr euch denn kennengelernt?“
Tinos Stimme war eine unerwünschte Störung, die Lizzie daran erinnerte, dass sie für die Rolle in einer Schmierenkomödie bezahlt wurde. Sie verglich den Schmerz, den diese Rolle ihr in der Wirklichkeit beschert hatte, mit dem, was sie sich erträumte. Mit einer Fantasie, in der Ilios seine Worte von eben auch tatsächlich so meinte, in der sein Kuss nicht Mittel zum Zweck war, sondern von Herzen kam.
„Lizzie und mich hat das Schicksal zusammengeführt, Tino“, antwortete Ilios seinem Cousin und fuhr fort: „Aber jetzt musst du uns leider entschuldigen …“
Bei diesen
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