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Zum Nachtisch wilde Früchte

Zum Nachtisch wilde Früchte

Titel: Zum Nachtisch wilde Früchte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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daß sie eine Maske trägt«, sagte Dr. Hellerau mit gepreßter Stimme.
    »Mir ist ganz gleich, wie sie darunter aussieht. Schrecklicher als ich oder dieser Nordländer kann sie nicht aussehen. Kommt es darauf an?«
    Dr. Hellerau trat an das Fenster. Die Nacht schob sich wieder über die Berge. Vom Dorf herauf klangen dünn die Glocken. Feierabend. Im Speisesaal wurde jetzt das Abendessen aufgetragen. Der Tisch Schreiberts war leer, und Corinna würde zu ihm hinüberschielen und sich fragen, warum er nicht zum Essen kam.
    »Ich möchte Ihnen etwas raten«, sagte Dr. Hellerau langsam, »was sonst zu den Todsünden der Klinik gehört! Für Sie wäre es eine Therapie … eine Heilung! Ziehen Sie Corinna die Maske vom Gesicht.«
    Schreibert fuhr in seinem Bett hoch. Der Atem stockte ihm.
    »Nie!« stotterte er. »Nie! Sie ist wie ein Engel für mich!«
    »Sie sollten es tun!« Dr. Hellerau wandte sich ab und verließ das Zimmer.
    Schreibert sank in die Kissen zurück. Ein Hustenanfall schüttelte ihn wieder. Er keuchte, rang nach Luft und spuckte bitteren, nach Brand riechenden Schleim aus.
    Dann lag er still, beobachtete die Wolken, die über den Wald zogen, und die Dunkelheit, die hinter ihnen herkroch.
    Die Maske von ihrem Gesicht, dachte er.
    Soll ich mich denn selbst umbringen …
    Mit einem Flugzeug der griechischen Luftfahrtgesellschaft landete Werner Ritter, von Athen kommend, auf Rhodos.
    Er hatte sich nicht angemeldet, denn sein Besuch war kein freudiges Familienereignis. Bei der Präfektur erfuhr er die Adresse Boltensterns; er mietete einen Wagen, fuhr in die Berge und erreichte nach zwei Stunden den alten, verwilderten Landsitz.
    Das Tor stand offen. Petra Erlanger und Jutta waren weggefahren nach Kremasti, einem verträumten Küstenort, wo man Ausgrabungen aus altgriechischer Zeit erwerben konnte. Jutta wollte Werner Ritter eine solche Ausgrabung als Geschenk mitbringen, und Petra hatte sich erboten, sie darin zu beraten.
    Etwas zögernd stieg Ritter die ausgewaschenen Steintreppen zu dem umrankten Herrenhaus empor. Schon von weitem hörte er Holzhacken. Boltenstern machte Kaminholz und Scheite für den großen gemauerten Grill.
    Nach weiteren zwanzig Stufen konnte Ritter die große Terrasse übersehen. Boltenstern stand an einem Hackklotz, schwang die Axt und ließ die Scheite fliegen. Er machte es ziemlich fachmännisch und mit großer Kraft.
    Als spüre er den Blick im Rücken, drehte sich Boltenstern um und sah Ritter auf der Treppe stehen.
    »Ja, so was!« rief er, warf die Axt zur Seite und kam auf Werner Ritter zu. Dabei wischte er seine Hände an den Hosen ab. »Die Familie scheint sich zu Experten für Überraschungen zu verwandeln! Erst Jutta und jetzt du, mein Junge! Willkommen im Paradies! Weiß Jutta, daß du kommen wolltest? Natürlich, sie weiß es nicht! Welche Frage! Junge, wird sie sich freuen! Hast du Urlaub?« Boltenstern streckte beide Arme weit aus. »Ich bin wirklich glücklich, daß ihr euch liebt!«
    Werner Ritter ließ sich umarmen und an Boltensterns Brust drücken, aber er war steif und erwiderte die Herzlichkeit kaum. Um seine Augen lagen Schatten, und als er Boltenstern nach dem ersten Begrüßungssturm ansah, war sein Blick wie umflort und tief traurig.
    »Ich habe keinen Urlaub«, sagte er tief atmend. »Und ich bin froh, daß wir allein sind … können wir uns setzen?«
    »Aber ja, mein Junge, ja!« Boltenstern führte ihn zu der großen Steinbank und dem riesigen Tisch. »Müde von der Reise, was? Ich hole dir einen Wein, der alle Lebensgeister wieder weckt!«
    »Bitte nicht!« Ritter hielt Boltenstern am Hemd fest. Verwundert blieb dieser stehen und wandte sich um. Wie nach einem Donnerschlag war alle Herzlichkeit verflogen … die Schwelle eines Gewitters senkte sich über sie.
    »Was ist los?« fragte Boltenstern hart.
    Werner Ritter griff in die Tasche und legte etwas Flaches, Glitzerndes auf den Steintisch.
    Stanniol.
    Über Boltenstern zog eine eisige Ruhe.
    Ritter löste das Stanniol voneinander. Ein Streifen rosa Löschpapier lag in der Sonne.
    Das Gesicht Boltensterns wurde zu Stein.
    »Herr Boltenstern –«, sagte Werner Ritter betont, aber er vermied es dabei, den Vater Juttas anzusehen. Mit jedem Wort rang er, man hörte es deutlich. »Kennen Sie diese kleinen Löschpapiere?«
    Boltenstern beugte sich über die Platte des Steintisches, als sei er kurzsichtig, betrachtete den lächerlichen Papierstreifen, ergriff ihn und hielt ihn mit ruhiger Hand bis zu den

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