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Zum Nachtisch wilde Früchte

Zum Nachtisch wilde Früchte

Titel: Zum Nachtisch wilde Früchte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Augen empor. Dann ließ er ihn zurückfallen auf den Tisch, so wie man einen dummen Papierschnipsel wegflattern läßt, und sagte:
    »Nein!«
    In diesen Augenblicken bewunderte Werner Ritter die Selbstbeherrschung und die Kaltblütigkeit Boltensterns. Er deckte wieder das Stanniol über den blaßrosa Streifen.
    »Sie wissen wirklich nicht, was das ist?« fragte er dabei.
    »Sie stellen dumme Fragen, Werner. Natürlich kenne ich Löschpapier. Vom ersten Schulheft an, ja, schon früher! Als Kind habe ich mit Löschpapier gespielt – ich fand es lustig, daß man an einen dicken Tropfen eine Papierkante legt, und wie von Zauberhand verschwand der Tropfen in dem Papier. Das war ein schönes Spiel als Kind …«
    Boltenstern lehnte sich gegen die dicke Steinplatte des Tisches. Er hatte keine Sorge, daß Jutta und Petra Erlanger so bald zurückkamen. Vor Abend brachte sie ein Taxi nicht wieder in die wilden Weingärten. Wenn Frauen unterwegs sind, einzukaufen, was ihnen gefällt, ist die Uhr das unwichtigste Ding der Welt.
    »Ich habe allerdings noch nie gesehen – und deshalb mein klares Nein –, daß man Löschpapier in Stanniol verpackt.« Boltenstern beobachtete Ritter, wie er das flache Päckchen wieder in die Tasche steckte. In ihm war alles ruhig und gefaßt. Er konnte nicht mehr überrumpelt werden. Ihn bluffte keiner mehr. Es gab niemanden, der ihn aus seiner Sicherheit stoßen konnte. Manchmal wunderte er sich selbst über seine Wandlung. Der Alf Boltenstern der vergangenen Jahre war zwar ein eleganter, kluger, gesellschaftlich perfekter Mensch gewesen, aber sein Leben war nie in ein großes Wagnis verwickelt worden. Er war mit dem, allerdings sehr gut verdienenden Alltag ausgekommen, er hatte Risiken vermieden oder sich nicht – wie Richard Erlanger – ohne Bedenken an eine Frau verkauft, die ihm Millionen in die Hand gab und ihn dafür quälen durfte. Er hatte auf die anderen geschaut und war ihnen nachgezogen, er hatte immer einen vor sich gehabt, an den er sich dranhängen konnte … Nun, unmerklich, war er frei geworden. Er hatte aus eigenem Risiko gehandelt, er war um seine Vorgänger herumgegangen, er hatte vor sich eine freie Straße … Wie lächerlich war es da, daß man ihm ein Streifchen rosa Löschpapier in den Weg legte, als sei es ein Felsblock, über den er stolpern müßte!
    Boltenstern lächelte mokant, als Werner Ritter auf seinen erzählenden Ton nicht einging, sondern dienstlich knapp blieb.
    »Dieses Löschpapier ist präpariert!« sagte Ritter.
    »Natürlich.« Boltenstern zeigte seine weißen gepflegten Zähne. Es war bedauerlich, daß kein Zuhörer vorhanden war. So viel innere Sicherheit ist einen Zuschauerkreis wert. »Sonst wäre es ja gewöhnliches Papier und kein Löschpapier.«
    Werner Ritters Gesicht wurde eine Nuance blasser. Spott trifft mehr als Schläge.
    »Das Papier enthält LSD! 100 Mikrogramm!« sagte er heiser.
    »Ach! Interessant.« Boltenstern sah auf den Fleck, wo das Streifchen auf dem Tisch gelegen hatte. Ein Hauch von Feuchtigkeit überzog den rauhen Stein. »Wenn ich jetzt über diesen Nässefleck lecke, höre ich die Engelchen singen, nicht wahr?«
    Ritter schluckte auch diesen Spott, auch wenn er in seiner Kehle wie kochende Galle lag. »Sie kennen LSD?« fragte er.
    »Ich habe neulich darüber gelesen. In irgendeinem amerikanischen Magazin. Mit Bildern sogar. Ein total verrücktes Gesellschaftsspiel! Sicherlich eine Modeerscheinung wie diese Tänze, wo man wie ein Urwaldaffe mit dem Hintern wackeln muß. Man macht viel zuviel Aufhebens davon.«
    »Es sind im LSD-Rausch Selbstmorde und auch Morde geschehen!« Ritter lehnte sich neben Boltenstern an die dicke Kante des Steintisches. Gemeinsam blickten sie über die Hänge und Terrassen mit den Rosen und verwilderten Weinreben. Das Meer schimmerte in der Sonne wie eine Scheibe polierten Goldes. Man brauchte sich nicht mehr anzusehen, um in der Mimik zu lesen, was der andere fühlte … wie auf dem Theater war's, die Schminke der Maske überdeckte die wahren Regungen.
    »Es gab schon Morde, bevor man LSD entdeckte«, sagte Boltenstern leichthin. »Rauschgift spielt in der Kriminalistik eine große Rolle. Verbrechen im Haschisch- oder Meskalinrausch, die Willenlosigkeit der Opiumraucher …«
    »Sie kennen sich genau in dieser Sparte aus, Herr Boltenstern?«
    »Die Lektüre des amerikanischen Magazins.« Boltenstern lächelte höflich, aber in den Mundwinkeln lag jetzt eine zurückgehaltene Gefährlichkeit. »Die

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