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Zum Nachtisch wilde Früchte

Zum Nachtisch wilde Früchte

Titel: Zum Nachtisch wilde Früchte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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zweites Leben geführt, von dem nur ein kleiner Kreis Eingeweihter wußte. Männer, die sie Onkel genannt hatte, weil sie zusammenhielten wie Brüder.
    Dieses Erbe der Kindheit gab es nicht mehr. Im Gegenteil – ein Frösteln zog über Juttas Rücken, wenn sie ihren Vater genau ansah. Das war so furchtbar für sie als Tochter, daß sie es vermied, in Boltensterns Augen zu blicken.
    »Ich war bei Werner!« sagte sie noch einmal betont.
    »Ich hatte es vernommen.«
    »Als Kommissar kann er jetzt heiraten.«
    »Sehr gut sogar. Aber nicht dich.«
    »Nur mich, Vater!«
    Boltenstern sah auf. Zum erstenmal nach langer Zeit sagte sie statt Paps nur Vater. Er konnte sich nicht erinnern, wann sie es zum letztenmal gesagt hatte. Vater – das war ein Zustand; die Zärtlichkeit, die im Worte Paps lag, fehlte völlig.
    »Ich werde es nicht zulassen!« sagte Boltenstern ohne Erregung. Jutta nickte.
    »Es tut mir leid, dich dann doch daran erinnern zu müssen, daß ich 23 Jahre alt bin.«
    »Ich kann dich nicht hindern, gewiß nicht.« Boltenstern suchte nach einer Zigarette. Nachdem er sie angeraucht hatte, schnippte er eine Tabaksfussel von der Unterlippe. »Vor bald zwölf Jahren habe ich deine Mutter verloren … ich werde dann auch dich verlieren. Wir sollten so ehrlich gegeneinander sein, daß wir uns an diesen Zustand schon gewöhnen können.«
    »Bitte nicht diesen Ton, Vater!« rief Jutta.
    Boltenstern zog die Brauen hoch. »Welchen Ton?«
    »Der Druck auf das Mitleid, auf die Tränendrüse, auf das Andenken von Mama! Müssen wir mit solchen Mitteln operieren? Ich liebe Werner, und er liebt mich, er ist ein anständiger Mensch, der Sohn deines hochverehrten Majors … konnte ich mir einen besseren Mann suchen?«
    »Unter normalen Umständen nein. Aber wir haben diese normalen Umstände nicht!«
    »Was hast du gegen Werner? Sag es frei heraus, Vater!«
    Boltenstern sah auf die glühende Spitze seiner Zigarette.
    »Ich kann keinen Schwiegersohn akzeptieren, der gegen seinen Schwiegervater, gegen den Vater seiner Frau, ermittelt! Das ist absurd! Jeder gibt mir da recht!«
    Das große Problem war angesprochen! Jutta hielt einen Augenblick den Atem an. Es war das erstemal, daß sie allein mit ihrem Vater über den Abend des 21. Mai sprechen konnte. Allein und ohne Fragen zu stellen. An dem Wegfall dieses seelischen Hindernisses merkte sie, wie sehr sie in den letzten Wochen gereift war. Sie hatte den letzten kindlichen Bann abgeschüttelt.
    »Werner tut nur seine Pflicht«, sagte sie. »Oder tut er Unrecht?«
    Boltenstern starrte seine Tochter an. Auch er spürte, daß sie auf die Stunde der Wahrheit zutrieben. Und er war gewillt, diese Stunde für sich zu haben. »Ich verstehe diese Frage nicht.«
    Jutta atmete tief auf. »Gut, Vater. Dann will ich genauer fragen. Es sind Fragen, die mein weiteres Leben bestimmen können. Bitte, nimm sie ernst auf!«
    »Frage!« antwortete Boltenstern kurz.
    »Was ist am 21. Mai geschehen?«
    »Wir hatten eine fröhliche Zusammenkunft unter Freunden.«
    »Mit Frauen?«
    »Ja.«
    »Käufliche Frauen.«
    »Ja. Onkel Toni besorgte sie.«
    »Es wurde eine Orgie?«
    »Ein dummer Ausdruck. Wir amüsierten uns. Onkel Hermann hatte das richtige Bonmot dafür: Zum Nachtisch wilde Früchte!«
    »Wie starb Erlanger?«
    »Wenn wir das wüßten! Er lag plötzlich tot zwischen uns. Mit seinem weißen Seidenschal erdrosselt. Ich habe sofort die Polizei angerufen. Du weißt es doch … du bist ja mit dem jungen Ritter gekommen!«
    »Niemand erdrosselt sich selbst! Es sei, er weiß nicht mehr, was er tut.«
    »Onkel Richard hatte sehr viel konsumiert. Die Blutuntersuchung ergab noch am nächsten Morgen nach seinem Tod 1,0 Promille Alkoholgehalt.«
    »Dabei bringt man sich nicht um.«
    »Jeder Mensch reagiert anders. Wie soll ich dir gegenüber ein Rätsel lösen, vor dem ich selbst fassungslos stehe?«
    »Habt ihr Rauschgift genossen, Vater?«
    »Nein!«
    Boltenstern sagte es klar und ohne Zögern. Er sah Jutta sogar dabei an, mit seinen ehrlichen, aber kalten Augen, und sie wurde unsicher.
    »Du kennst Meskalin?« fragte Jutta weiter.
    »Ja.« Er nickte mehrmals. »Ich habe darüber gelesen.«
    »LSD?«
    »Auch! In Amerika nehmen es Tausende, vor allem Studenten, um ›eine Reise‹ zu unternehmen, wie sie es ausdrücken. Sie erleben neue Welten, sie entdecken völlig neue Seiten unserer Welt. Ein interessantes Gebiet – aber doch verrückt! Eine Modesache, die zur Beatmusik paßt!«
    »Habt ihr am 21. Mai

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