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Zum Nachtisch wilde Früchte

Zum Nachtisch wilde Früchte

Titel: Zum Nachtisch wilde Früchte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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LSD genommen, Vater?« fragte Jutta laut.
    Boltenstern ließ sich nicht überrumpeln. Er hatte auf diese Frage ja gewartet. Er hatte sie förmlich herbeigesehnt. Nun lehnte er sich zurück und ließ über sein Gesicht einen fast tragischen Schatten gleiten.
    »Traust du mir so etwas zu, Jutta?«
    »Bitte, stelle nicht solche Fragen, Paps …«, antwortete Jutta stockend.
    Paps. Sie sagt wieder Paps. Um die Mundwinkel Boltensterns glitt ein Lächeln.
    »Ich verabscheue alle diese Mittel, du weißt es doch«, sagte er. »Ich habe nie Verständnis für Morphiumsüchtige, Preludinschlucker, Opiumraucher oder Kokainschnupfer gehabt. Für mich sind solche Menschen einfach Verrückte! Bin ich ein Verrückter, Jutta? Nein – beim Andenken an deine Mutter: An jenem 21. Mai ist alles normal, wenn auch ein wenig turbulent zugegangen …« Boltenstern zerdrückte seine Zigarette in dem großen Aschenbecher aus Achat. »Zufrieden, Spätzchen?«
    »Ja, Paps.«
    Jutta sagte es wie ein Gefolterte, die alles gesteht, um der Qual weiterer Befragungen zu entfliehen.
    Aber als sie allein auf ihrem Zimmer war, weinte sie.
    Sie wußte, daß ihr Vater gelogen hatte. Und er schämte sich nicht, das reine Bild der Mutter zu beschwören.
    An diesem Tage verlor Jutta endgültig ihren Vater. Zwar lebte er mit ihr und neben ihr, aber im Grunde wurde er immer fremder, das spürte sie. Die Kindesliebe starb ab wie ein morscher Ast.
    Er lügt, dachte sie immer wieder. Er lügt um seinen Kopf.
    O Gott, was für einen Vater habe ich –
    Mit Toni Huilsmann wurde es von Tag zu Tag schlimmer.
    Es sprach sich in Düsseldorf schnell herum, daß der Star-Architekt der ›großen weiten Welt‹, wie man Huilsmann nannte, eine total verrückte Tour habe. Seine Häuser, die er entwarf, bestanden aus violett getönten Glaswänden, die Zimmerböden schwebten an Ketten frei in der Luft und schaukelten, sogar das Dach war aus Glas und bestand aus goldenen Strahlen. Zwei Angestellte seines Büros hatten bereits gekündigt, weil sie gezwungen werden sollten, diesen Blödsinn tatsächlich im Detail zu zeichnen, auszurechnen und zu konstruieren.
    Huilsmann nahm diese Entwürfe sehr ernst. »Wir leben in einer Scheinwelt!« sagte er zu seinen verblüfften Kunden, die lieber normale Häuser entworfen haben wollten. »Die wahre Welt ist anders. Wenn Einstein sagte, alles sei relativ, so stimmt das! Sie sehen diesen Baum dort mit grünen Blättern … warum kann er nicht silberne Blätter haben? Sie sehen sie nur grün, die anderen Menschen auch, weil das Auge – relativ gesehen – in der Mischung der Regenbogenfarben grün sieht! Aber ich sage: Die Blätter sind silbern und zum Teil durchsichtig wie Kristall! Wer will mir das Gegenteil beweisen? Die Botaniker und Biologen! Mein Gott, auch sie sehen ja nur relativ …«
    Man hörte sich Huilsmanns Vorträge an, aber da er ein berühmter Architekt war, ließ man doch von ihm die Häuser entwerfen und strich einfach alles Unsinnige weg.
    Eines Tages rief Huilsmann wieder bei Boltenstern an.
    Der schreckliche Augenblick war wieder eingetreten: Das LSD war verbraucht. Die Welt sah wieder normal aus. Die Ziegelsteine waren rot, der Himmel blau, das Gras grün und die Erde braun. Dumpfe Farben gegen die Pracht der anderen Welt, in der sich Huilsmann eingelebt hatte. Die Rückkehr zum Alltag war wie das Aussetzen eines Nackten auf einem Eisberg. Er fror, verkroch sich in sein Haus, hüllte sich in dicke Pullover und lief zähneklappernd und wie gehetzt in seinen riesigen Zimmern herum.
    »Ich habe nichts mehr!« sagte Boltenstern, als er Huilsmann in diesem Zustand der völligen Auflösung antraf. »Du mußt es dir besser einteilen!«
    »Du lügst!« schrie Huilsmann. »Ich habe bei dir genug Papierchen gesehen!«
    »Du kannst mich untersuchen, Himmel noch mal, von mir aus kannst du mein Haus auf den Kopf stellen … ich habe nichts mehr.«
    Huilsmann hockte auf der Lehne eines seiner Ledersessel und klapperte wie bei 40 Grad Kälte. Seine fiebrigen Augen starrten Boltenstern flehend an. »Nur eins noch, Alf. Ein Streifchen. Diese normale Welt ist so schrecklich!«
    »Ich schwöre dir – ich habe nichts mehr!« schrie Boltenstern.
    »Dann besorge etwas, Alf!«
    »Ich weiß nicht, wo.«
    »Schon wieder eine Lüge. Du kennst die Quellen genau!« Huilsmann wackelte mit dem Kopf. Er sah schrecklich aus, so als bräche gleich sein Hals ab und der Kopf rollte über den Teppich. »Ich habe alle gefragt … ich bin bei allen Huren

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