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Zum Nachtisch wilde Früchte

Zum Nachtisch wilde Früchte

Titel: Zum Nachtisch wilde Früchte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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soll nach Südamerika?«
    »Blödsinn! Wer sagt denn das?«
    »Dein Brief!«
    »Ich habe dir geschrieben, als du auf Rhodos warst. Das wußte ich nicht.«
    »Den Brief habe ich nach meiner Rückkehr bekommen. Und der nächste Brief …«
    »Ich habe dir nur einmal geschrieben!«
    Boltenstern sah Schreibert forschend an. Dann holte er den anonymen Brief aus der Brieftasche und zeigte ihn Schreibert.
    »Du traust mir doch nicht zu, solch einen Quatsch zu schreiben!« sagte Schreibert und warf den Brief auf den Tisch. »Was ich dir zu sagen habe, kann ich ohne diesen Hokuspokus mit ausgeschnittenen Buchstaben und Anonymität. Aber es ist gut, daß du gekommen bist. Ich will weg von hier! Und zwar sofort!«
    »Aber warum denn? Es gibt keine bessere Klinik als …«
    »Ich will weg!« sagte Schreibert eigensinnig. »Meine Gründe sind meine Privatsache.«
    »Also eine Frau!«
    »Ja!«
    Boltenstern schüttelte den Kopf. »Ich kann dich doch nicht durch die ganze Welt schicken. Morgen in Frankreich … wieder ein Weib – weiter! In Italien. Zwei Weiber – weiter. Nach Amerika. Wieder ein Weib … Hermann, das geht nicht!«
    »Ich habe mir mein Gesicht nicht selbst genommen!« sagte Schreibert leise. Aber Boltenstern hörte deutlich die Drohung, die Gefährlichkeit hinter diesen Worten. »Vor wenigen Tagen war Werner Ritter hier. Ich habe ihn nicht empfangen. Aber es könnte sein, daß ich die Nerven verliere und doch spreche.«
    »Das ist eine in medizinische Watte gepackte Erpressung.«
    »Ich will weg!« Schreibert trat an das Fenster und sah hinaus in den Park. Corinna Colman lag wieder am Schwimmbecken. Er erkannte sie nur an ihrem einmaligen Körper. Ihr neues Gesicht war anders, etwas südländisch, was zu den blonden Haaren einen erstaunlichen Gegensatz bildete. Vier Männer lagen um sie herum auf den heißen Einfassungssteinen des Beckens. Er hörte ihr helles Lachen bis zu sich. »Ich muß weg, Alf!« sagte er rauh. »Ich kann nicht garantieren, daß meine Nerven das noch lange aushalten. Du weißt, daß mein Leben jetzt mit dem deinen fest verkettet ist.«
    Boltenstern nickte. »Ich will mich umhören«, sagte er. »In Bologna soll eine gute Klinik für plastische Chirurgie sein. Willst du nach Bologna?«
    »Überall hin – nur weg von hier!« Schreibert wandte sich ins Zimmer zurück und sah auf den Brief, der noch auf dem Tisch lag. »Wer hat bloß diesen Wisch da geschrieben?«
    »Ich weiß es nicht«, sagte Boltenstern ehrlich.
    »Toni?«
    »Nein! Ganz bestimmt nicht.«
    »Dann gibt es noch jemanden, der von dem 21. Mai weiß!« Schreibert nahm den Brief, las ihn noch einmal, faltete ihn zusammen und gab ihn Boltenstern zurück. »Es ist eine verteufelte Situation für dich. Ich würde an deiner Stelle nicht mehr ruhig schlafen können!«
    Boltenstern schwieg. Er hatte das gleiche Gefühl.
    Aber so etwas gesteht man nicht.
    Die Aufregungen rissen nicht ab.
    Es war Jutta, die Boltenstern überraschte, indem sie sagte: »Ich habe dich belogen, Paps! Ich war gestern nicht in Hamburg, um eine Reportage über den Freihafen zu schreiben. Ich war in Emmerich bei Werner!«
    Boltenstern nahm diese Mitteilung ohne Aufbrausen entgegen. Nur seine Augen wurden hart, und Jutta fand, daß ihr Vater jetzt völlig fremd aussah.
    »Was soll dieses Geständnis?« fragte er.
    »Es soll eine Entscheidung einleiten«, antwortete sie in dem gleichen geschäftsmäßigen Ton. Er hatte bisher nie zwischen ihnen geherrscht, er war neu, aber er drückte nun die Spannung aus, die zwischen Vater und Tochter lag.
    »Es freut mich, daß du mich in deine Entscheidungen einweihst«, sagte Boltenstern kühl. »Ich hatte in den letzten Wochen den Eindruck, daß du dich mehr an deine 23 Jahre und der damit verbundenen Handlungsfreiheit erinnerst als an die Tatsache, daß ich dein Vater und für dein Leben verantwortlich bin. Es ist nicht so, daß es einem Vater ab dem 21. Lebensjahr seines Kindes gleichgültig ist, was aus ihm wird.«
    »Das weiß ich, Paps.«
    »Sehr schön. Wie sieht Emmerich aus? Ich war noch nie dort.«
    Jutta sah ihren Vater mit zusammengekniffenen Lippen an. Seine kalte Sicherheit, sein Sarkasmus, sein offener Spott trafen sie um so mehr, als sie jetzt wußte, was ihr Vater dahinter verbarg. Es war schwer für sie gewesen, sich daran zu gewöhnen, daß ihr Vater, ihr Vorbild in all den Jahren, ihre bisher sorglose Kindheit und Jugend, die sich mit ihm unauslöschbar verband, sie systematisch belogen hatte. Er hatte ein

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