Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zum Nachtisch wilde Früchte

Zum Nachtisch wilde Früchte

Titel: Zum Nachtisch wilde Früchte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
Boltenstern nahm die Hacken seiner Reitstiefel zusammen und machte eine kurze, knappe Verbeugung. Werner Ritter sah ihn hilflos an und nickte zurück.
    »Ich werde um elf bei Ihnen sein«, sagte er bedrückt.
    »Laden Sie bitte Ihren Vater zu dieser für unsere Familien wichtigen Stunde ein.« Boltenstern beobachtete aus den Augenwinkeln, wie Jutta ihre Reithose von der Leine nahm und auch sie, so feucht wie sie war, überstreifte. »Darf ich Sie bitten, uns jetzt allein zu lassen, Werner? Das Betrachten einer sich entkleidenden oder ankleidenden Dame gehört nach meiner Moralauffassung nicht zu den Gewohnheiten eines guten Bekannten. Mehr sind Sie in meinen Augen noch nicht bis zu unserer Einigung am kommenden Sonntag.«
    Boltenstern wartete, bis Werner Ritter die Waldhüterhütte verlassen hatte und draußen der klapprige Motor aufheulte. Dann drehte er sich wieder zu seiner Tochter um und setzte sich auf eine Tonne mit Viehsalz.
    »Zieh dich wieder aus, Spätzchen«, sagte er mit der milden, väterlichen Stimme, die nur Jutta an ihm kannte. »Laß die Sachen richtig trocknen. Wir haben Zeit …«
    Jutta blieb am Ofen stehen, den Kopf in die Schultern gezogen, ein Bild des Trotzes und des offenen Widerstandes.
    »Du hast dich unmöglich benommen!« sagte sie hart.
    Boltenstern hob die Augenbrauen. Zum erstenmal hörte er an seiner Tochter diesen Ton. Er wußte, daß sie böse sein konnte, aber ihm gegenüber war sie immer das zärtliche Kind gewesen, die große Tochter, die ihren Paps bewunderte.
    »Ich habe mich unmöglich benommen?« sagte er gedehnt und zeichnete mit der Reitgerte abstrakte Muster in den Staub auf dem Boden. »Bist du mit Werner Ritter so intim, daß du dich vor ihm ohne Scham ausziehst?«
    »Wir sind doch keine Kinder mehr!«
    »Ich wüßte nicht, daß ab einem bestimmten Alter die Moral ein Märchen wird!«
    »Im Strandbad, an der See, im Schwimmbad, überall zieht man sich aus, und niemand findet etwas dabei.«
    »Es ist etwas anderes, ob man sich auszieht und hat einen Badeanzug an, oder ob man in einer einsamen Hütte sich verbirgt und in der dünnsten Unterwäsche, die es gibt, herumspringt!« Boltenstern ließ sich die Reitgerte auf eine der herumstehenden Kisten klatschen. »Zieh dich wieder aus, Spätzchen … du erkältest dich in dem nassen Zeug und bekommst eine Grippe.«
    Jutta überhörte es. Mit harten, fast verächtlichen Augen sah sie ihren Vater an.
    »Glaubst du, daß du der richtige Apostel einer Moral bist?« sagte sie kalt, und sie nahm sich und allen Mut zusammen, als Boltensterns Kopf hochzuckte und sie neuen Zorn in seinem Blick aufflammen sah. »Welches Leben führt ihr uns vor? Von der Jugend verlangt ihr äußere und innere Ordnung … wo ist sie bei euch? Eure Parties – oh, bitte, unterbrich mich nicht, Paps – ich weiß, was passiert, wenn ihr alten Kameraden eure geschäftlichen Zusammenkünfte habt. Ich weiß, was ihr dann treibt, hinter dicken Vorhängen und bei gedämpftem Licht. ›Ein wenig die Lebensgeister aufmöbeln‹, nennt es Onkel Hermann … ich habe es einmal zufällig gehört, wie er es zu dir sagte, als er dich zu einem ›Treffen der Modeindustrie‹ abholte. Und bei Toni Huilsmann habe ich im Zeichenatelier – auch zufällig – in einer Ledermappe geblättert, die in einem Stahlschrank lag, den Huilsmann unglücklicherweise offen ließ, als er hinausging. Es war ein Fotoalbum … und ich habe zum erstenmal auf dem Bild gesehen, welchen Eindruck mein nackter Vater in Gesellschaft ebenso nackter Mädchen macht!«
    Boltenstern kniff die Lippen zusammen. Dieses Rindvieh von Toni, dachte er. Noch heute fahre ich zu ihm und verlange die Herausgabe des Albums! Wer hat übrigens diese kompromittierenden Aufnahmen gemacht? Hat er etwa automatische Kameras in seinem Sternenhimmel-Zauber eingebaut? Es paßte zu Huilsmann und seinem Haus, in dem jede Wand ein Geheimnis verbarg.
    »Komm! Wir gehen!« sagte er laut und sprang auf.
    »Darauf gibst du mir also keine Erklärung?« rief Jutta hell.
    »Ich habe es nicht nötig, meiner Tochter Rechenschaft über mein Privatleben abzugeben! Ein paar hinter die Ohren kannst du haben!«
    »Das ist eurer Weisheit letzter Schluß! Schläge! Mit der Hand, mit der Reitpeitsche! Glaubt ihr, damit eure Kinder zu erziehen?! Kinder leben nach dem Vorbild ihrer Eltern! Wenn ich mich so benehmen würde, wie du dich auf deinen Parties …«
    Boltenstern atmete tief auf. Er machte drei Schritte vorwärts, stand vor Jutta und

Weitere Kostenlose Bücher