Zum Nachtisch wilde Früchte
wütet, in der man es gefangen hat.
Mein Gott, wenn man das jemals erführe!
Werner Ritter beobachtete Huilsmann. Der Architekt war nervös, aber das war verständlich. Doch sonst war da nur das glatte Gesicht eines Mannes, der ganz oben auf der Welle des Erfolges und des Reichtums schwamm …
»Schade«, sagte Werner Ritter laut. »Wir müßten mit unserem Wissen ein paar Jahre weiter sein … dann wäre es vielleicht möglich, LSD im Körper nachzuweisen, auch wenn es schnell abgebaut wird!«
Wieder das schwammige Gefühl in den Adern, wieder die Kälte um das Herz. Huilsmann zerdrückte seine Zigarette. Nach außen wirkte er elegant und reserviert. Ein Erfolgsmensch, dem man eine Stunde seiner wertvollen Zeit genommen hat.
»Was ist LSD?« fragte er leichthin. Werner Ritter lächelte fade. Welche Schauspieler, diese Freunde und Wirtschaftswunderakrobaten! Welche Sicherheit sie mit sich tragen, nur weil ihre Brieftaschen mit Scheinen gepolstert sind. Man rennt gegen sie wie gegen eine Gummimauer.
»LSD ist ein chemischer Stoff, der sich in der Lunge bildet, wenn ein Wassertoter nicht ertrunken ist, sondern schon vorher tot war, bevor er ins Wasser kam«, sagte Ritter leichthin.
Und hier verriet sich Huilsmann. In seine Augen trat für eine Sekunde maßloses Erstaunen und Verblüffung. Das ist doch nicht möglich, dachte er in diesem Augenblick. Der Knabe erzählte doch völligen Blödsinn. Aber dann glitt der Vorhang wieder über seine Gedanken, und die Augen wurden unbeteiligt und von jener abweisenden Borniertheit, die Erfolgsmenschen anscheinend vor dem Spiegel proben, denn dieser kalte Blick ist ihnen allen gegenwärtig.
»Ich glaube, wir machen Schluß«, sagte Dr. Lummer, und es klang wie eine Erlösung. »Darf ich Ihnen mein tiefstes Mitgefühl ausdrücken, Herr Huilsmann …«
»Ich danke.« Huilsmann stand auf und sah steif auf Dr. Lummer herunter. »Wieso eigentlich? Ich bin kein näherer Verwandter von Else Lechenmaier.«
»Aber Sie haben nun kein Hausmädchen mehr! Bei der Knappheit in dieser Berufssparte ist das fast eine persönliche Katastrophe für Sie. Mein Beileid. Ich suche seit einem Jahr eine Hausgehilfin. Ich kann mit Ihnen fühlen!«
Verwirrt und ärgerlich, sich bewußt, von Dr. Lummer wie eine Rotznase behandelt worden zu sein, verließ Huilsmann das Präsidium. Aber er war gewarnt. Die Polizei forschte nach LSD. Wer hatte ihr diesen Wink gegeben?
Unschlüssig ging Huilsmann über die Königsallee, setzte sich an eines der Boulevardtischchen und bestellte ein Eis ohne Sahne und überlegte, wie er sich verhalten sollte.
Das beste ist die Zeit, dachte er. Nichts tun, schweigen, sich ruhig verhalten … Gras braucht Zeit, um zu wachsen, und auch Moos entsteht nicht über Nacht. Aber was mit Gras und Moos überwachsen ist, interessiert nicht mehr, wird unsichtbar, vergeht. Also Zeit haben … viel Zeit … am besten, erst einmal in Urlaub fahren, nach St.-Tropez vielleicht, in die Arme langbeiniger, wildmähniger Mädchen, deren Moral nach Goldgewicht bemessen wird oder nach den Nullen hinter einer Zahl, die auf einem Scheck steht. Ein herrliches Leben …
Toni Huilsmann bezahlte sein Eis und fuhr zurück in seinen Palast aus Glas und Marmor.
Nach St.-Tropez, dachte er. Ein guter Gedanke.
Um den Leichnam Else Lechenmaiers kümmerte er sich nicht. Warum auch? Gewisse Distanzen müssen bleiben …
Und da Else Lechenmaier keine Anverwandten hatte, nur eine alte, halbblinde Tante, die von einer kleinen Rente lebte und Else nur von Fotos kannte und es ablehnte, verwandtschaftliche Rechte und damit auch Pflichten anzumelden, fuhr man den armen, bleichen, noch im Tode wohlgeformten Körper in die Medizinische Akademie.
Was Huilsmann erst noch plante, führte Alf Boltenstern in diesen Tagen aus.
Er erinnerte sich, daß Petra Erlanger ihm kurz nach dem Begräbnis Richards den Vorschlag gemacht hatte, zu verreisen, um in frischer Seeluft zu vergessen und das berühmte Gras über alles wachsen zu lassen. Die Flucht in die Sonne ist heute zeitgemäßer als das Vergraben hinter dem Witwenschleier, und medizinisch gesehen erholt sich ein entblößter Körper im Reizklima der See auch besser von seelischen Erschütterungen als im halbdunklen Kämmerlein hinter dem Tränenschleier vor dem Bild des geliebten Verblichenen.
Seit dem Morgen des gemeinsamen Ausrittes durch das bäuerliche Hinterland Düsseldorfs hatte Boltenstern nicht wieder mit Petra über die fernere Zukunft gesprochen. Noch
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