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Zum Nachtisch wilde Früchte

Zum Nachtisch wilde Früchte

Titel: Zum Nachtisch wilde Früchte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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bin bereit.«
    »Wunderbar! Richards Maschine steht startbereit in Lohhausen. Ein Werkpilot wird uns fliegen.« Boltenstern sah Petra voll an, und zum erstenmal wich sie seinem Blick aus. Ihre Kälte wich einer mädchenhaften Unsicherheit. »Ich liebe dich, Petra«, sagte Boltenstern leise. »Wir werden in ein Paradies fliegen …«
    Ohne Antwort saß Petra auf, drehte ihren Schimmel und ritt hinunter ins Tal. Boltenstern folgte ihr in einiger Entfernung, und als sie an den Tennisplätzen vorbeiritten, sah es aus, als hätten sie sich zerstritten und suchten jeder für sich den Heimweg.
    Mit Jutta hatte Boltenstern keinerlei Schwierigkeiten.
    Sie kam am Abend von der Redaktion nach Hause und sah ihren Vater inmitten von herumliegenden Anzügen und Wäschestücken.
    »Du packst, Paps?« fragte sie, als überrasche sie das nicht. »Wohin geht es denn?«
    »Nach Rhodos«, antwortete Boltenstern kurz.
    »So plötzlich?«
    »Ja.«
    »Hast du alles gefunden, was du brauchst?«
    »Ja.«
    »Dein Rasieretui ist in der oberen Schublade der Kommode.«
    »Schönen Dank.«
    »Sauer, Paps?«
    »Was heißt hier sauer? Welche Sprache sprichst du eigentlich?« Boltenstern legte seine Hemden in den Hemdenkoffer. »Der Wortschatz eurer Generation ist sehr fantasielos!«
    »Verzeih, Paps, aber ich wußte nicht, daß dir die Leber wieder weh tut!« Jutta hob die Schultern und verließ das Schlafzimmer.
    Am frühen Morgen klopfte Boltenstern an die Tür seiner Tochter. Es war ihm unmöglich, in dieser gereizten Stimmung abzufliegen.
    »Was ist, Paps?« rief Jutta von drinnen.
    »Ich gehe jetzt, Spatz.«
    Jutta öffnete die Tür. Sie trug ein kurzes Nachthemd und sah jetzt kindlich und gar nicht erwachsen aus. Ihre Augen waren etwas gerötet, als hätte sie die halbe Nacht hindurch geweint.
    »Gute Fahrt, Paps«, sagte sie leise. »Wie … wie lange bleibst du?«
    »Vielleicht vier Wochen.« Boltenstern gab ihr einen Kuß auf die hingehaltene Stirn. Kann ich sie überhaupt allein lassen, dachte er plötzlich. Wie sie so dasteht, so hilflos, so verlassen, in ihrem kurzen Hemdchen … ein Kind ist sie doch noch. Mein Kind. Mein kleiner Spatz. »Ich fahre mit Petra Erlanger«, sagte er.
    »Ich weiß.«
    »Woher weißt du das denn?«
    »Von allein kommst du nicht auf den Gedanken, plötzlich nach Rhodos zu fliegen.« Jutta atmete tief auf und gab ihrem Vater die Hand. »Viel Glück, Paps.«
    »Danke.« Boltenstern biß sich auf die Unterlippe. Auch das war kein Abschied, der ihn beruhigte. Es klang zu glatt, zu unpersönlich, zu fremd. »Wenn du ein paar Tage Urlaub bei deinem Chef herausschinden kannst … komm auch rüber. Das Werkflugzeug bringt dich. Ich werde mit dem Piloten sprechen.«
    »Vielleicht klappt es, Paps. Tschau!«
    »Tschüs!« Boltenstern gab seiner Tochter noch einen Kuß und ging dann.
    Und jeder wußte, daß man mit einer großen Lüge auseinandergegangen war. Boltenstern wäre gar nicht beglückt, wenn Jutta wirklich nach Rhodos flöge. Und Jutta wußte, als sie vielleicht sagte, daß sie nie kommen würde.
    Die Wege trennten sich immer mehr.

9
    In der ›Bergwald-Klinik‹, wie die abgeschiedene Burg der Gesichtsverletzten hieß, empfing Chefarzt Dr. Hellerau selbst den soeben eingetroffenen Schreibert.
    Das Zimmer Dr. Helleraus hatte drei große Fenster zum Park und zu dem blaugekachelten Schwimmbecken, um das eine Anzahl Liegestühle stand. Sichtlich fröhliche Menschen in Badeanzügen, Bikinis und knappen Badehosen saßen unter den Sonnenschirmen, ein paar Gäste schwammen in dem kristallklaren Wasser, spielten Wasserball und schoben ein Gummifloß vor sich her. Erstaunt wandte sich Schreibert um, als hinter ihm eine Tür ins Schloß fiel. Dr. Hellerau, ein Arzt im mittleren Alter mit einer braunen Künstlermähne, lächelte Schreibert fast freundschaftlich zu und nickte, als verstünde er die stumme Frage, die im Zimmer war.
    »Ja, das sind alles Gesichtsverletzte«, sagte er, als Schreibert noch nach Worten rang. »Diese Frage stellt jeder Patient, der neu zu uns kommt. Im allgemeinen herrscht die Vorstellung, daß ein so Verstümmelter sich vor der Welt verkriechen müßte. Sprechen wir klar miteinander, Herr Schreibert. Auch das ist in unserer Klinik erstes Gebot: Ehrlichkeit! Wir haben nichts mehr zu verbergen … außer unserem Gesicht. Jeder weiß das von jedem, und das gibt eine geschwisterliche Atmosphäre. Wir sind eine große Familie. Sehen Sie hinaus … man schwimmt, man spielt miteinander, abends wird

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