Zum Sterben schoen
drückende Feuchtigkeit nichts auszumachen.
Die Straße schlängelte sich einen sanften Hügel hinunter, und gerade als sie anfing, sich Sorgen zu machen, sie sei zu weit gefahren, sah sie eine Gruppe hübscher Geschäfte im spanischen Stil vor sich. Sie vermutete, dass es sich um das Gebiet handelte, das der Portier im Motel die Country Club Plaza genannt hatte, und sie war erleichtert. Ein paar Blocks weiter und sie sah zur Rechten das Fairmont.
Es war noch nicht ganz Mittag, aber der Hotelportier hatte Mitleid, weil sie so erschöpft war, und ließ sie vorzeitig ein Zimmer beziehen. Eine Stunde später fühlte sie sich wieder wie ein Mensch. Sie war seit dem frühen Morgen gefahren, aber eine lange, kalte Dusche weckte die Lebensgeister in ihr. Obwohl sie wusste, dass es Tommy nichts ausmachte, wenn sie in Jeans oder Shorts im Pfarrhaus auftauchte, hatte sie »Kirchenkleidung« mitgebracht. Es war Sonntag, und der Mittagsgottesdienst ging vermutlich gerade zu Ende, wenn sie eintraf. Sie wollte Monsignore McKindry, der, wie Tommy ihr erzählt hatte, extrem konservativ war, nicht verletzen. Er scherzte, dass der Monsignore die Messe nach wie vor auf Lateinisch halten würde, wenn er damit durchkäme.
Sie zog ein blassrosa, knöchellanges, ärmelloses Leinenkleid mit einem hohen Stehkragen an. Der Rock hatte an der linken Seite einen Schlitz, den der Monsignore, wie sie hoffte, nicht zu gewagt finden würde. Ihr langes Haar war im Nacken noch feucht, aber sie wollte sich jetzt nicht länger damit abgeben. Nachdem sie die zierlichen Riemen ihrer Sandalen befestigt hatte, packte sie Handtasche und Sonnenbrille und ging nach unten.
Als sie nach draußen trat, empfand sie die Hitze wie einen Schlag ins Gesicht und bekam ein paar Sekunden lang keine Luft. Der arme Türsteher, ein älterer Mann mit grau meliertem Haar, wirkte in seiner schweren, grauen Uniform, als würde er bald zerfließen. Sobald ein Hausdiener ihr den Wagen gebracht hatte, trat der Türsteher mit einem breiten Lächeln vor, um ihr die Tür zu öffnen. Aber das Lächeln verschwand, als sie sich noch einmal vergewisserte, welcher Weg zur Kirche Our Lady of the Mercy führte.
»Miss, es gibt andere Kirchen viel näher am Hotel«, informierte er sie. »Eine liegt nur ein paar Blocks entfernt an der Main Street. Wenn es nicht so heiß wäre, könnten Sie sogar zu Fuß dorthin gehen. Es ist eine wunderschöne, alte Kirche in einer sicheren Umgebung.«
»Ich muss zu Our Lady of the Mercy«, erklärte sie.
Sie merkte, dass er ihr am liebsten widersprochen hätte, aber er hielt den Mund. Als sie ins Auto stieg, beugte er sich vor und schlug vor, sie sollte die Türen schließen und unter keinen Umständen anhalten, bis sie den Parkplatz der Kirche erreicht hatte.
Das Gebiet, in das sie eine Stunde später fuhr, war heruntergekommen und bedrückend. Verlassene Gebäude mit zerbrochenen Fensterscheiben und brettervernagelten Eingängen säumten die Straßen. Schwarze Graffiti an den Wänden schrien den Passanten wütende Wörter entgegen. Laurant fuhr an einem eingezäunten, freien Grundstück vorbei, das einige der Anwohner als Müllhalde benutzten, und trotz der geschlossenen Fenster und der auf vollen Touren laufenden Klimaanlage konnte sie den Gestank verfaulenden Fleisches riechen. An der Ecke des Blocks befanden sich vier etwa sechs oder sieben Jahre alte Mädchen in Sonntagsstaat gekleidet. Sie spielten Seilchenspringen, während sie einen albernen Reim sangen, kicherten und sich halt benahmen wie kleine Mädchen, die die Zerstörung um sie herum nicht bemerken. Inmitten eines solchen Zerfalls waren ihre Unschuld und Schönheit erschütternd. Die Mädchen erinnerten sie an ein Gemälde, das sie einmal während des Studiums in Paris gesehen hatte. Es handelte sich um ein schmutzig braunes Feld, eingezäunt mit Stacheldraht, der hässlich und bedrohlich wirkte mit seinen scharfen Spitzen. Darüber wirbelte ein drohend grauer Himmel. Die Stimmung war düster und traurig. In der linken Ecke des Bildes wand sich jedoch ein wuchernder, gelber Weinstock, verschlungen in das knorrige Metall, bis zur halben Höhe des Zaunes. Und dort stand, gen Himmel gereckt, eine vollkommene rote Rose kurz vor dem Erblühen. Das Gemälde hieß Hoffnung. Als Laurant die Kinder beim Spielen beobachtete, wurde sie an die Botschaft des Künstlers erinnert – dass das Leben weitergeht und dass sogar in solcher Verwahrlosung Hoffnung gedeihen kann und wird. Laurant speicherte
Weitere Kostenlose Bücher