Zum Sterben schoen
lebendig und völlig frei.
Sie sehnte sich jetzt nach diesem Gefühl, und, o Gott, wie gerne wollte sie wieder die Kontrolle über ihr Leben haben. Sie hasste es, Angst zu haben, und zwischen Wut und Entsetzen hin- und herzuschwanken machte sie verrückt.
»Schätzchen, sei vorsichtig mit dieser Tasse. Du willst sie doch nicht zerbrechen.«
Violas Mahnung holte Laurant zurück in die Gegenwart.
Viola erzählte unverdrossen weiter den neuesten Tratsch, den sie in ihrem Damenbridgeclub aufgeschnappt hatte. Laurant bemühte sich aufzupassen, während sie das blaue Spode von Hand abtrocknete. Als die Küche aufgeräumt war, folgte sie der älteren Frau auf die Veranda hinaus und setzte sich neben sie in die Schaukel, während Bessie Jean, die Hand in Nicks Armbeuge gelegt, mit ihm einen Spaziergang durch den Garten machte, um ihm stolz ihre Petunien und den Gemüsegarten zu präsentieren. Die Straßenlaterne erhellte den Garten hinter dem Haus kaum.
Nick war stärker an dem dunklen, unbebauten, baumgesäumten Grundstück hinter Laurants Haus als am Garten interessiert. Von dichtem Gebüsch und Sträuchern überwuchert war es ein Paradies für den Unbekannten, in dem er sich verstecken und ungestört beobachten oder auch zu Laurants Haus kriechen konnte, ohne gesehen zu werden.
»Spielen eigentlich jemals Kinder auf diesem Grundstück?«, fragte er Bessie Jean, nachdem er ihr Komplimente für ihren Garten gemacht hatte.
»Früher ja, aber jetzt gehen sie nicht mehr dorthin, nicht seit Billy Cleary sich schwer am Giftsumach vergiftet hatte. Er trug Shorts und setzte sich hinein, wissen Sie, und nach dem, was seine Mutter mir erzählte, war es eine sehr schmerzhafte Erfahrung. Das Kind konnte sich zwei Wochen lang nicht hinsetzen. Sobald er sich besser fühlte, gingen Billy und seine Freunde dazu über, am See zu spielen.«
Sie umkreisten das Haus einmal ganz. Bessie Jean rief Viola zu: »Ich erzähle Nicholas gerade von Billy Cleary und dass er früher immer auf dem Grundstück hinter Laurants Haus spielte, bis er sich in den Giftsumach setzte.« Sie stieg die Treppe hinauf und setzte sich in einen Korbsessel.
Viola beugte sich vor zu Laurant. »Seine Geschlechtsteile waren ganz bedeckt davon«, flüsterte sie.
»Ich erzählte Nicholas, dass niemand sich mehr in die Nähe dieses Grundstückes wagt«, erklärte Bessie Jean.
»Das stimmt nicht«, sagte Viola. »Erinnerst du dich denn nicht, Schwester? Vor einigen Wochen spielten dort Kinder. Daddy stand auf den Hinterbeinen hinten an der Fliegengittertür und bellte und bellte. Wir mussten die Tür schließen, damit er sich beruhigte.«
Bessie Jean nickte. »Ich glaube nicht, dass das Kinder waren«, sagte sie. »Es war schon fast dunkel. Vermutlich war das ein Waschbär oder ein Opossum dahinten. Wenn ich jetzt so drüber nachdenke, glaube ich, dass ein wildes Tier sich dort häuslich niedergelassen hat, denn Daddy hat in der Woche ein paar Mal so ein Theater gemacht.«
Viola nickte. »Ja, das hat er«, stimmte sie zu.
Nick lehnte sich gegen das Geländer. »Wie lange ist das schon her? Erinnern Sie sich?«
»Ich bin mir nicht sicher«, sagte Bessie Jean.
»Ich erinnere mich«, verkündete Viola. »Ich hatte gerade die Big Boys eingepflanzt.«
»Die Big Boys?«
»Tomaten«, erklärte sie.
»Und wann war das?«, fragte Nick geduldig.
»Vor fast einem Monat.«
Bessie Jean war anderer Ansicht. Sie glaubte, Viola irre sich und es sei noch nicht ganz so lange her. Die Schwestern zankten sich einige Minuten lang, bis Laurant aufstand, ihre Aufmerksamkeit auf sich zog und so den aufkeimenden Streit beendete.
»Nick und ich sollten uns jetzt auf den Heimweg machen.«
»Ja, Schätzchen, du willst jetzt auspacken und es dir zu Hause wieder gemütlich machen, nicht?«, stellte Viola fest.
»Sie sieht mitgenommen aus, nicht wahr, Schwester«, kommentierte Bessie Jean.
Nick war ganz ihrer Meinung. Laurant wirkte tatsächlich erschöpft. Unter den Augen hatte sie dunkle Ränder. Sie sah ganz anders aus als beim ersten Mal, als er sie im Pfarrhaus kennen lernte. Sobald sie erfahren hatte, dass mit Tommy alles in Ordnung war, entspannte sie sich, und kurze Zeit lang schien sie keinerlei Sorgen zu haben.
Aber das war, bevor ihr Bruder ihr von dem kranken Bastard erzählt hatte, der sie umbringen wollte. Man musste ihr zugute halten, dass sie nicht zusammenbrach oder hysterisch wurde, wie das bei einigen anderen sicher der Fall gewesen wäre. Und Nick erinnerte sich
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